Zeckenschutz mit Bravecto

Anna Pietschmann

am Samstag, 27 August 2016

Über den Einsatz von Bravecto, einer Kautablette mit dem floh- und zeckentötendem Wirkstoff, wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Das ist verständlich, weil der Wirkstoff und dessen Funktionsweise noch sehr neu sind. Zudem ist das Thema des Zeckenschutzes an sich schon eine schwierige Sache, weil es keine für alle Hunde und jedes Gebiet passende Pauschallösung gibt.

Warum überhaupt Zeckenschutz?

Ob dem Hund ein Präparat zum Zeckenschutz verabreicht werden muss, hängt von mehreren Faktoren ab. Unterschiedliche Hunde wirken unterschiedlich attraktiv auf Zecken. Langhaarige und große Hunde scheinen beispielsweise besonders anziehend für die Parasiten zu sein. Weiterhin spielt der Wohnort eine große Rolle. Über Deutschland verteilt haben die unterschiedlichen Zeckenarten ihre jeweiligen “Ballungsgebiete”, in denen sie wesentlich häufiger als in anderen Regionen vorkommen. Zudem ist nicht allein die Zeckenmenge entscheidend. Zur Risikobeurteilung ist es wichtig zu wissen, wie viele der jeweiligen Zecken überhaupt Krankheitserreger in sich tragen.

Die Zahl der durch Zecken übertragenen Krankheitserreger wächst stetig in Deutschland.1 Als Gründe für diese Entwicklung vermutet man die milderen Winter sowie den vermehrten Transport von Sport-, Heim- und Nutztieren über die Ländergrenzen hinweg.2 Durch letzteres werden in Südeuropa heimische Erreger nach Deutschland importiert.34 Besonders die Auwaldzecke breitet sich deutschlandweit immer mehr aus, was die steigende Anzahl der Babesiose-Erkrankungen, auch Hundemalaria genannt. erklärt.56

Für den Vierbeiner besteht also zumnehmend das Risiko, durch Zecken mit teilweise lebensbedrohlichen Erkrankungen wie der Anaplasmose oder der Babesiose infiziert zu werden. Schwierig ist in diesem Zusammenhang, dass manche der Krankheitsbilder sehr unspezifisch verlaufen. Die so verursachten Lahmheiten, Bewegungsstörungen, Schmerzen oder Krampfanfälle werden bei betroffenen Hunden häufig viel zu spät auf die ursächliche Zeckenerkrankung zurückgeführt.7

In einer in Berlin durchgeführten Studie stellte sich heraus, dass ein von Hand durchgeführtes Absuchen und Absammeln der Zecken seitens des Besitzers sehr fehleranfällig ist. Trotz mindestens einmal täglich erfolgter intensiver Kontrolle übersahen die Hundebesitzer über die Hälfte der am Hund befindlichen Zecken. Für das Übersehen der Zecken spielte es keine Rolle, ob der Hund kurz- oder langhaarig war.1 Auch in einer weiteren Arbeit wurden von den Hundehaltern Exemplare der Schildzecke beim täglichen Absammeln in über 60 Prozent der Fälle nur nach 3 Tagen Saugzeit geunden.8

Ein alleiniges, täglich erfolgendes Absammeln der Zecken ist also sehr kritisch im Hinblick auf die Vorbeugung von Zeckenerkrankungen zu sehen. Viele der Parasiten werden erst spät auf dem Hund entdeckt und übersehen. Ihnen bleibt so genug Zeit, die Krankeitserreger auf den Hund zu übertragen.

Je nach [Wohnort] (http://www.parasitenfrei.de/de/verreisen-mit-haustier/verbreitungskarte/) können Zeckenschutzmittel daher ein wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung des Hundes leisten.

Vor- und Nachteile bewährter Zeckenschutzmittel

Seit vielen Jahrzehnten haben sich äußerlich anwendbare Zeckenschutzprodukte bewährt. Der Wirkstoff wird dabei auf den Hund gesprüht, getropft oder längerfristig mittels eines Halsbands verabreicht. Die häufigsten Nebenwirkungen bestehen in Hautreizungen und länger andauerndem Juckreiz. 9 Der Vorteil von dem in Spot Ons und Zeckenhalsbändern häufig verwendeten Pyrethroiden ist, dass sie eine abschreckende Wirkung auf Zecken und andere Lästlinge haben. Im Idelfall werden die damit behandelten Hunde erst gar nicht von Zecken gestochen.

Spot On Produke sollten in regelmäßigen Abständen angewendet werden, um über die gesamte Zeckensaison einen gleichbleibenden Schutz zu gewähren. Die Wirkung kann durch ein sehr dichtes und lange Fell beeinträchtigt werden.10 Da die in Schutzhalsbändern integrierten Mittel über das Hautfett verteilt werden müssen, sind Hunde mit sehr trockener Haut an manchen Körperstellen nicht ausreichend geschützt.

Wichtig ist auch, den Zeckenschutz dem Vierbeiner noch möglichst vor der ersten entdeckten Zecke zu verabreichen. In einer österreichischen Studie wurde beobachtet, dass die teilnehmenden Hunde mit Krankheitserregern infiziert wurden, weil die Besitzer den Zeckenschutz nicht früh genug und fehlerhaft auftrugen.11 In die korrekte und regelmäßige Anwendung dieser äußerlich wirkenden Mittel scheinen sich generell schnell Fehler einzuschleichen.12 Trotz fehlerfreier Anwendung kann es jedoch trotzdem zu Lücken im Zeckenschutz kommen.1314 Je weiter entfernt eine Körperstelle vom Auftragunsort des Spot Ons oder des Zeckenhalsbandes entfernt ist, desto größer ist das Risiko für einen Zeckenbiss an dieser Stelle. 8

Bravecto

Der im Bravecto enthaltende Wirkstoff Fluralaner gehört zu den Isoxazolinen, einer 2010 erstmals vorgestellten neuen Klasse von Antiparasitika.

Fluralaner verteilt sich nach der Aufnahme im Körper des Hundes. Dort wird er hauptsächlich im Fettgewebe gespeichert und nach und nach in das Blut abgegeben. Beißen Zecken oder Flöhe den mit Bravecto behandelten Hund, nehmen sie den Wirkstoff auf und verenden. Da die Abgabe des Bravectowirkstoffes ins Blut und dessen Ausscheidung nur langsam erfolgt, wird die tödliche Wirkung für Parasiten etwa 12 Wochen aufrecht erhalten. Bravecto hat im Gegensatz zu vielen anderen Zeckenschutzprodukten keine abschreckende Wirkung auf die Parasiten und kann nicht verhindern, dass Zecken zunächst zubeißen. Allerdings dauert es eine gewisse Zeit, bis die Zecken gefährliche Krankheiten auf den Hund übertragen.

In einer Studie hat sich gezeigt, dass Zecken durch Bravecto zuverlässig innerhalb von 12 Stunden versterben. 89,6% sind sogar schon nach 4 Stunden tot.15 Bis eine Zecke die in Deutschland relevanten Erreger übertragen kann, vergeht wesentlich mehr Zeit. Für eine Übertragung der Borreliose muss die Zecke mindestens 16 Stunden am Wirt saugen, bei der Babesiose und Anaplasmose sogar mehr als 24 Stunden.16

Bravecto schützt den Hund also vor einer Infektion mit den in Deutschland auftretenden Zeckenkrankheiten.

Zwar könnte an dieser Stelle noch kritisiert werden, dass durch den mangelnden abstoßenden Effekt auf Parasiten einige Zecken die sogenannte FSME übertragen könnten, da bei dieser Erkrankung ein einziger Biss ausreichend ist. Während diese Krankheit für den Menschen äußerst bedrohlich ist, handelt es sich bei den erkrankten Hunden um absolute Einzelfälle mit oft schwereren Vorerkrankungen. Ob die FSME überhaupt beim Hund auftritt, ist in der Fachwelt noch umstritten.17

Risiken und Nebenwirkungen

Der Vorteil von Bravecto liegt in der hohen Zuverlässigkeit. Die zeckenabtötende Wirkung wird nicht wie bei den Spot Ons und Schutzhalsbändern durch Umwelteinflüsse beeinträchtigt. Ein weiterer Pluspunkt ist außerdem, dass die Zecken auf dem Hund versterben und nicht auf den Menschen überwandern, wie es bei Produkten mit zeckenabschreckender Wirkung der Fall sein kann. Zudem wird durch diese neue Art des Schutzes ein Präparat für Hunde bereitgestellt, die von den äußerlich verwendeten Mitteln Hautausschläge und Ekzeme bekommen.

Für die tödliche Wirkung auf Parasiten sind sowohl in Bravecto wie auch in den Halsbändern und Spot Ons Stoffe verantwortlich, welche das Nervensystem der Zecken angreifen. Wichtig ist natürlich in dieser Hinsicht, dass die Wirkstoffe nicht das Nervensystem der Hunde beeinträchtigen oder anderweitig deren Gesundheit schäigen.

Bei äußerlich aufgetragenen und sich nur in den Talg-Drüsen ablagernden Zeckenschutzprodukten ist diese Gefahr sehr gering. Allerdings ist die Unbedenklichkeit auf die äußerliche Anwendung bezogen. Einige kleine Hunderassen haben eine besonders dünne Haut. Durch diese können größere Mengen des Wirkstoffes in den Körper gelangen. Schwerere Nebenwirkungen der äußerlich aufzutragenden Mittel treten deshalb besonders häufig bei Chihuahuas, Bichon Frises, Shi Tzus und Maltesern auf.18

Häufig werden auch gewisse Mengen des Wirkstoffes über das Belecken und Benagen der Haut vom Hund aufgenommen. Vermutlich ist dies einer der Gründe, warum im Zusammenhang mit Spot Ons und Flohhalsbändern trotz äußerlicher Anwendung gelegentlich von neurologischen Symptomen wie kleineren Krampfanfällen und Bewegungsstörungen bei diebezüglich besonders empfindlichen Hunden berichtet wird.9

Der Bravectowirkstoff Fluralaner ist nun von Anfang an darauf ausgelegt, im Hund und nicht auf dem Hund zu landen. Die Klasse der neuen Parasitenschutzmittel, denen Fluralaner angehört, zeichnen sich durch eine ganz besonders hohe Selektivität gegenüber Insekten und Zecken aus. Die schädigende Wirkung entfaltet sich also speziell in den Strukturen des Nervensystems von Insekten und nicht in denen von Säugetieren. 1920

Die Unbedenklichkeit und Sicherheit von Bravecto wurde in über 60 klinischen Studien überprüft. Mittlerweile wurde das Präparat über 13 Millionen Mal in 60 verschiedene Ländern verschrieben. Nur bei 0,04 Prozent der mit Bravecto behandelten Hunde wurde von unerwünschten Begleiterscheinungen berichtet. In den meisten Fälle handelte es sich um kurzfristige Magen- und Darmverstimmungen.21

Da sich aber das Produkt erst seit 2014 auf dem Markt befindet, gibt es noch keine Langzeiterfahrungen bezüglich der Verträglichkeit und Nebenwirkungen.

Bevor ein Tierarzneimittel wie Bravecto zugelassen wird, müssen im Vorfeld umfangreiche Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit des jeweiligen Mittels durchgeführt werden. Die Anzahl der Hunde und die Anwendungszeiträume sind in den Studien natürlich begrenzt. Daher können bei bestimmten Rassen oder Hunden mit Vorerkrankungen Nebenwirkungen auftreten, die zuvor nicht erfasst wurden. Gelegentlich zeigen sich auch unerwünschte Begleiterscheinungen erst nach mehrjähriger Anwendung. Behörden wie die Europäische Arzneimittel Agentur erfassen daher systematisch die Meldungen von unerwünschten Wirkungen. So kann das Wissen um Nebenwirkungen und die Kosten-Nutzen Bewertung von Wirkstoffen kontinuierlich erweitert und vertieft werden.

Die Wichtigkeit dieses Systems gelangt zunehmend in das Bewusstsein von Tierärzten und Tierhaltern. Besonders in der Kleintiermedizin ist die Meldebereitschaft von Nebenwirkungen sehr stark gestiegen.22 Dadurch werden Risiken und Nebenwirkungen sehr viel schneller als noch vor ein paar Jahren aufgedeckt.

Zusammenfassung

Bravecto bietet für die in Deutschland, Österreich und der Schweiz derzeit relevanten Zeckenerkrankungen einen sinnvollen Schutz. Dieser kann nicht wie Spot Ons und Schutzzhalsbänder durch diverse Umweltfaktoren in seiner Wirkung versagen. Zudem werden die Zecken abgetötet und setzen sich nicht wie gelegentlich bei den Mitteln mit abschreckender Wirkung in der Wohnung ab. Als Hundebesitzer kommt man nicht in Kontakt mit dem Wirkstoff. Da es sich um ein gänzlich neues Parasitenschutzprodukt handelt, kann leider noch kein umfassendes Urteil bezüglich sämtlicher Nebenwirkungen und eventuell existierender Langzeitfolgen getroffen werden. Von Vorteil ist hier, dass Nebenwirkungen mittlerweile wesentlich zuverlässiger und schneller erfasst werden. Letztendlich besitzt jede Methode es Zeckenschutzes wie auch der völlige Verzicht auf diesen unterschiedliche Vor- und Nachteile. Die für den individuellen Hund beste Lösung sollte daher zusammen mit einem Tierarzt ermittelt werden.

  1. Schreiber, C., Krücken, J., Beck, S., Groß, M., Pachnicke, S., Krieger, K.J., Kohn, B., Himmelstjerna, S. (2013) ‘Zeckenübertragene Infektionserreger bei Hunden im Raum Berlin/Brandenburg: Prävalenzen und Untersuchungen zum Infektionsrisiko(2013)‘, 21. Jahrestagung der FG Innere Medizin und klinische Labordiagnostik der DVG (InnLab), Tierärztliche Praxis/Ausgabe K, Kleintiere, Heimtiere, Bd. 41.

  2. Gray, J., Dautel, H., Estrada-Pena, A., Kahl, O. and Lindgren, E. (2009). "Effects of climate change on ticks and tick-borne diseases in Europe." Interdisciplinary Perspectives on Infectious Diseases, 2009 (Article ID 593232): 1-12.

  3. Beugnet, F. and Marie, J. L. (2009). "Emerging arthropod-borne diseases of companion animals in Europe." Veterinary Parasitology, 163 (4): 298-305.

  4. Irwin, P. J. (2009). "Canine babesiosis: from molecular taxonomy to control." Parasites & Vectors, 2 Suppl 1: 1-9.

  5. Babesiose des Hundes

  6. [Hundemalaria] (file:///home/chronos/u-ba0cbdf0baa190f73cc3bd20de863608125adde0/Downloads/Hundemalaria.pdf)

  7. [Anaplasmose] (http://www.idexx.de/pdf/de_de/smallanimal/education/client-education/du_anaplasmosis_de.pdf)

  8. Beck S, Schreiber C, Schein E, Krücken J, Baldermann C, Pachnicke S, von Samson-Himmelstjerna G, Kohn B. Tick infestation and prophylaxis of dogs in northeastern Germany: a prospective study. Ticks Tick Borne Dis. 2014 Apr;5(3):336-42

  9. Fokus Antiparasitika

  10. Peters, Stefanie. DermaSkills: Dermatologie in Der Kleintierpraxis ; Diagnostik Mit System. Stuttgart: Schattauer, 2015. Print.

  11. Effect of owner-controlled acaricidal treatment on tick infestation and immune response to tick-borne pathogens in naturally infested dogs from Eastern Austria” (2013, 6:62, doi:10.1186/1756-3305-6-62) von Michael Leschnik, Andrea Feiler, Georg G Duscher und Anja Joachim

  12. Schreiber, C., Krücken, J., Beck, S., Pachnicke, S., Krieger, K.J., Kohn, B., von SamsonHimmelstjerna, G., (2012). „Zeckenübertragene Infektionserreger bei Hunden im Raum Berlin/Brandenburg.“ VetMedReport, 5 (36): S.6. ISSN: 1866-5152.

  13. Estrada Pena, A.; Bianchi, J. M. V., 2006: Efficacy of several anti-tick treatments to prevent the transmission of Rickettsia conorii under natural conditions. Annals of the New York Academy of Sciences 1078(1): 506-508

  14. Seasonal and spatial distribution of ixodid tick species feeding on naturally infested dogs from Eastern Austria and the influence of acaricides/repellents on these parameters” (2013, 6:76, doi:10.1186/1756-3305-6-76) von Georg G Duscher, Andrea Feiler, Michael Leschnik und Anja Joachim

  15. The speed of kill of fluralaner (Bravecto™) against Ixodes ricinus ticks on dogs Christina Wengenmayer, Heike Williams, Eva Zschiesche, Andreas Moritz, Judith Langenstein, Rainer Roepke, Anja R HeckerothParasites & Vectors 2014, 7:525 (18 November 2014)

  16. Little SE. 2nd Canine Vector-Borne Disease (CVBD) Symposium. Mazara del Vallo, Sicily, Italy: ᅟ; 2007. Changing paradigms in understanding transmission of canine tick-borne diseases: the role of interrupted feeding and intrastadial transmission; pp. 30–34.

  17. Zeckenezephalitis

  18. Flea and Tick Treatment AMVA

  19. P. Garcia-Reynaga, C. Zhao, R. Sarpong, J.E. Casida New GABA/glutamate receptor target for [(3)H]isoxazoline insecticide Chem. Res. Toxicol., 26 (2013), pp. 514–516

  20. M. Gassel, C. Wolf, S. Noack, H. Williams, T. The novel isoxazoline ectoparasiticide fluralaner: selective inhibition of arthropod gamma-aminobutyric acid- and -glutamate-gated chloride channels and insecticidal/acaricidal activity Insect Biochem. Mol. Biol., 45 (2014), pp. 111–124

  21. Bravecto

  22. [Veterinary pharmacovigilance 2014] (http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Other/2015/03/WC500183739.pdf)