Atopische Allergie beim Hund- Risikofaktoren und die Auswirkungen auf das Verhalten

Anna Pietschmann

am Samstag, 6 Juni 2020

Wenn sich der Hund viel kratzt und beleckt, steckt oft eine Umweltallergie dahinter. Die Krankheit ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, denn sie kann sich weitreichend auf die Lebensqualität des Hundes und sein Verhalten auswirken. Forscher/innen haben daher näher untersucht, welche Auswirkungen bei betroffenen Hunden zu beobachten sind und was zur Krankheitsentstehung beitragen kann.

Atopische Dermatitis

Die atopische Dermatitis ist eine heimtückische und sehr häufig auftretenden Hauterkrankung des Hundes. Die Schutzfunktion der Haut ist bei den betroffenen Tieren beeinträchtigt. So gelangen verschiedene Stoffe aus der Umwelt leichter in den Hundekörper, die eigentlich bei einer gesunden Hautbarriere abgeblockt werden.1 Dazu gehören der Kot sowie die Eier von Hausstaubmilben, Pollen und Duftstoffe. Das Immunsystem reagiert dann vermehrt auf die eingedrungenen Stoffe mit einer Überreaktion. Die überschießende Immunreaktion löst heftigen Juckreiz und Hautentzündungen aus. Die Entzündungen auf der Haut führen wiederum dazu, dass die Hautbarriere noch schwächer wird. Bakterien und Hefepilze können sich so viel leichter an der Haut des Hundes ansiedeln. Die Folge: Zusätzliche Infektionen, die den Juckreiz verschlimmern und die Haut noch weiter schädigen. Ohne Frage leiden betroffene Hunde sowohl an dem permanenten Juckreiz als auch unter den schmerzenden Hautentzündungen.

Die Veranlagung, eine atopische Dermatitis zu entwickeln, ist vererbbar. Leidet ein Elternteil unter der atopischen Dermatitis oder sind sogar beide Zuchttiere betroffen, so ist das Risiko für den Nachwuchs zu erkranken deutlich erhöht.2 Neben den Genen spielt aber auch die Umwelt eine große Rolle. Bei Menschen wurden bereits viele Risikofaktoren identifiziert, die zur Ausbildung des Krankheitsbildes beitragen. Diese können darüber entscheiden, ob und in welchem Maße bei genetischer Belastung die Krankheit ausbricht. Mittlerweile gibt es auch einige Studien, die möglichen krankheitsfördernden Faktoren bei Hunden auf der Spur sind.

Rasse

Einige Hunderassen sind im Verhältnis zu anderen besonders häufig von der atopischen Dermatitis betroffen. Zu ihnen zählen West Highland White Terrier, Boxer, Labrador Retriever, Englische- und Französische Bulldoggen, Dalmatiner und Deutsche Schäferhunde.345. Möglicherweise sind einer finnischen Befragung zufolge zudem Vierbeiner, die mehr als 50 Prozent Weißanteil im Fell besitzen, besonders gefährdet. Bei den Labrador Retrievern waren in einer Untersuchung vor allen Dingen braunfarbige Exemplare betroffen.6

Wohnbedingungen

In einer großen Erhebung an 1585 finnischen Hunden gab es einen Zusammenhang zwischen einem extrem gesäuberten Haushalt und der atopischen Dermatitis. Hunde, die in einer sehr häufig und stark geputzten Umgebung wohnen, weisen häufiger die Erkrankung auf. Weiterhin sind Hunde den Ergebnissen mehrerer Studien zufolge öfter betroffen, wenn sie in städtischen, hoch industrialisierten Gebieten wohnen. Ein geringeres Erkrankungsrisiko besteht hingegen, wenn die Tiere auf dem Land und in Wohnungen mit normalen bis geringem Reinigungsgrad wohnen.

Diese befunden passen zur sogenannten Hygiene-Hypothese.Sie geht zurück auf die Beobachtung, dass Kinder auf dem Land viel seltener unter Umweltallergien leiden als solche, die in der Stadt aufwachsen. Auf Bauernhöfen sind die Kinder oft mit sehr viel mehr Bakterienpartikeln konfrontiert. Besonders auch dann, wenn sie mit Tieren aufwachsen. Die Partikel, Endotoxine, trainieren sozusagen das Immunsystem. Im Gegensatz zu einem untrainierten Immunsystem sind die bei der atopischen Dermatitis auftretenden Überreaktionen dann seltener zu beobachten. Konstantes, übermäßiges Putzen reduziert die Menge der Bakterienpartikel und könnte so ein unvorbereitetes, untrainiertes Immunsystem hervorbringen.7

Als wahrscheinlich schützende Faktoren für den Vierbeiner sind zudem das Aufwachsen mit einem weiteren Hund im Haushalt sowie regelmäßige Spaziergänge in der Natur ermittelt worden.3456

Auswirkungen auf das Verhalten

Bei Menschen ist bekannt, dass die atopische Dermatitis häufig zu starkem Stress und hoher psychischer Belastung führt. Forscher/innen untersuchten daher, ob an atopischer Dermatitis erkrankte Hunde verstärkt stressbedingtes, problematisches Verhalten zeigen.

Hierfür wurden die Angaben zu 343 erkrankten und 552 nicht von atopischer Dermatitis betroffener Vierbeiner ausgewertet. Charakteristisches und problematisches Verhalten der Hunde erfassten die Wissenschaftler/innen mittels des C-BARQs. Dabei handelt es sich um einen Fragebogen, der typische Verhaltensweisen individueller Hunde auf standardisierte Weise erfassen und in ein Klassifikationssystem einordnen kann.

Die Auswertung zeigte einige bedeutsame Unterschiede von erkrankten und unbetroffenen Hunden. Unter atopischer Dermatitis leidende Hunde wiesen häufiger die Tendenz zur Hyperaktivität und Aufgedrehtheit auf und zogen mehr als die gesunden Hunde an der Leine. Zudem verhielten sie sich distanzloser gegenüber dem Menschen und forderten übermäßig viel Kontakt ein. Erkrankte Hunde waren insgesamt berührungsempfindlicher und zerstörten mehr Objekte. Auch abnormal repetitives Verhalten und Übersprungsverhalten war öfters zu beobachten. Dabei handelt es sich um Verhaltensweisen, die der Hund exzessiv wiederholt über lange Zeiträume hinweg ohne Sinn und Zweck ausführt. Zu den “Klassikern” gehören das fortlaufende sich benagen oder belecken von Gegenständen und Wänden sowie das Jagen vom Schwanz. Atopische Hunde haben ein 2,73fach erhöhtes Risiko für solches abnormal repetitives Verhalten. Die Trainierbarkeit oder Ausbildbarkeit der atopischen Hunde wurde im Vergleich zu den unbetroffenen Hunden als schlechter eingeschätzt. Der permanente Juckreiz scheint die Hunde unter Stress zu setzen und ihre Aufmerksamkeit zu beanspruchen, sodass sie sich schwerer konzentrieren und lernen können.8

Fazit

Die atopische Dermatitis ist eine zu großen Teilen erblich bedingte Hauterkrankung, deren Ausprägungsgrad jedoch in vielen Fällen beeinflussbar ist. Übermäßiges Putzen und das Aufwachsen in einer sterilen, städtischen Umgebung scheinen den Ausbruch der Krankheit zu fördern. Ein an atopischer Dermatitis erkrankter Hund wird mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Juckreiz und die Hautentzündungen stark gestresst. Das kann Verhaltensprobleme wie Hyperaktivität auslösen und dem Hund erschweren, neue Dinge zu lernen. Gerade beim Training von Hunden mit Verhaltens- und Konzentrationsproblemen könnte es daher wichtig sein, eine Erkrankung an atopischer Dermatitis und deren Behandlung zu berücksichtigen.

Titelbild von dani0010

  1. Santoro D, Marsella R, Pucheu-Haston CM, Eisenschenk MN, Nuttall T, Bizikova P. Review: pathogenesis of canine atopic dermatitis: skin barrier and host-micro-organism interaction. Vet Dermatol. 2015;26(2):84-e25

  2. Shaw SC, Wood JL, Freeman J, Littlewood JD, Hannant D. Estimation of heritability of atopic dermatitis in Labrador and Golden Retrievers. American Journal of Veterinary Research. 2004 Jul;65(7):1014-1020

  3. Anturaniemi, J., Uusitalo, L., & Hielm-Björkman, A. (2017). Environmental and phenotype-related risk factors for owner-reported allergic/atopic skin symptoms and for canine atopic dermatitis verified by veterinarian in a Finnish dog population. PLOS ONE, 12(6), e0178771.

  4. Nødtvedt A, Egenvall A, Bergvall K, Hedhammar Å. Incidence of and risk factors for atopic dermatitis in a Swedish population of insured dogs. Veterinary Record: Journal of the British Veterinary Association 2006;159: 241–246.

  5. Meury S, Molitor V, Doherr MG, Roosje P, Leeb T, Hobi S, et al. Role of the environment in the development of canine atopic dermatitis in Labrador and golden retrievers. Vet Dermatol. 2011;22: 327–334. pmid:21251098

  6. Harvey, N. D., Shaw, S. C., Craigon, P. J., Blott, S. C., & England, G. C. W. (2019). Environmental risk factors for canine atopic dermatitis: a retrospective large‐scale study in Labrador and golden retrievers. Veterinary Dermatology.

  7. Tse K, Horner A. Defining a role for ambient TLR ligand exposures in the genesis and prevention of allergic diseases. Seminars in Immunopathology 2008;30: 53–62. pmid:17989979

  8. Naomi D. Harvey, Peter J. Craigon, Stephen C. Shaw, Sarah C. Blott and Gary C.W. England (2019). Behavioural Dierences in Dogs with Atopic Dermatitis Suggest Stress Could Be a Significant Problem Associated with Chronic Pruritus. Animals, 9, 813;