Der Cavalier King Charles Spaniel — geboren um zu leiden?

Anna Pietschmann

am Donnerstag, 11 April 2019

Ein fröhlicher, aktiver, stets motivierter und niedlich aussehender Familienhund in handlicher Größe. Mit diesen Eigenschaften wäre der Cavalier King Charles Spaniel der perfekte vierbeinige Partner in vielen Haushalten. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass er zu den beliebtesten Begleithunden zählt.

Leider kämpft die Rasse mit zahlreichen gesundheitlichen Problemen. Dazu gehören das gehäufte Auftreten von Herzerkrankungen, Epilepsie und verschiedenen Augenerkrankungen. Auch leiden viele der Cavaliere an der gefürchteten Syringomyelie. 123

Syringomyelie

Die Syringomyelie ist einer Erkrankung des Rückenmarks. Das Rückenmark ist eine aus Nerven bestehende, schlauchförmige Röhre innerhalb der Wirbelsäule. Es verarbeitet und übermittelt Botschaften vom Gehirn, den Sinnesrezeptoren, Muskeln und Drüsen. Bei an Syringomyelie erkrankten Hunden bilden sich mit Flüssigkeit gefüllte Hohlräume im Rückenmark. Das führt zu einer zunehmen Schädigung der Nerven des Rückenmarks mit zahlreichen schwerwiegenden Folgen45. Die erkrankten Cavaliere haben oftmals Missempfindungen im Hals- und Schulterbereich, die in lang andauernden Kratzattacken münden. Weiterhin werden sie oft sehr empfindlich gegenüber Berührungen im Kopf- und Nackenbereich. Mit zunehmender Krankheitsdauer leiden viele der Cavaliere mit Syringomyelie unter massiven, quälenden Nervenschmerzen und neurologischen Ausfällen

Dass weltweit viele Exemplare der Rasse von Syringomyelie betroffen sind, untermauern mehrere Studien 67. Eine Arbeitsgruppe der Justus-Liebig Universität in Gießen untersuchte über 200 Cavaliere verschiedenster Altersstufen aus Deutschland. 57 Prozent der begutachteten Hunde wiesen dabei eine Syringomyelie auf8. In einer Dissertation, die sich mit der Häufigkeit der Syringomyelie der deutschen Cavalierpopulation beschäftigte, waren 48,1 Prozent der 339 begutachteten Cavaliere erkrankt9.

Aus den Ergebnissen könnte geschlussfolgert werden, dass knapp die Hälfte der Cavalier Spaniels an Syringomyelie erkrankt ist. Hier handelt es sich aber nur um die Spitze des Eisberges. Eine Untersuchung von 555 Cavalier Spaniels aus den Niederland und England zeigte, dass mit jedem Lebensjahr der Cavaliere der Anteil an erkrankten Hunde zunimmt. Im Alter von 12 Monaten wiesen nur 25 Prozent der Tiere eine Syringomyelie auf. Bei den 6jährigen Tieren waren dann ganze 70 Prozent betroffen.10.

Chiari Malformation

Während also weltweit eine hohe Anzahl der Kavaliere unter Syringomyelie leidet, gibt es ein weiteres Krankheitsbild des Nervensystems, welches noch häufiger auftritt. Bei dieser Erkrankung hat das Kleinhirn zu wenig Platz im Schädel. Das Gehirn ist also zu groß für den Hundeschädel. Dadurch werden Teile des Gehirns durch das Hinterhauptsloch gepresst. Das Hinterhauptsloch ist eine große Öffnung im Schädel, durch welche die Verbindungen von Blut- und Nervengefäßen zwischen Gehirn und Rückenmark verlaufen. Das aus dem Schädel tretende Hirn und quetscht Teile des verlängerten Rückenmarks ab und behindert den normalen Fluss der Rückenmarksflüssigkeit 11. Da dieses Krankheitsbild der sogenannten Chiari Malformation des Menschens ähnelt, wird sie Chiari-ähnliche Malformation genannt.

Nahezu alle Cavalier King Charles Spaniel besitzen diese Missbildung. Die Rasse wird durch eine niedlich kindlich aussehende, runde Kopfform charakterisiert. Das gezielte Herauszüchten dieses Merkmals ist möglicherweise verantwortlich für die unpassende Hirngröße im Verhältnis zum Schädel12. In einer Population von 329 deutschen Cavaliere wiesen erschreckende 97,1 Prozent eine Chiari-ähnliche Malformation auf. Auch sämtliche andere Untersuchungen zur Verbreitung der Krankheit resultierten bisher darin, dass nahezu alle Exemplare der Rasse von der Schädelmissbildung betroffen sind6713. Auch die Chiari-ähnliche Malformation kann zu einer ganzen Reihe an Symptomen führen, welche die Lebensqualität der Tiere deutlich beeinträchtigen und mit erheblichem Leiden einhergehen.14

Dazu gehört beispielsweise das schnelle Ermüden der Tiere. Viele von ihnen Reiben ihren Kopf intensiv auf dem Boden. Auch Rückenschmerzen und schmerzbedingte Schwierigkeiten beim Treppengehen oder Springen können auftreten. Charakteristisch sind auch spontan auftretende oder durch Hochheben ausgelöste Schmerzschreie. Intensive Berührungen in Rückennähe oder das Drehen des Kopfes empfinden einige der betroffenen Cavaliere äußerst unangenehm. Die Quetschung der Nerven kann führt in manchen Fällen zur zeitweisen Lähmung und zum Ausfall verschiedener Körperregionen. Weiterhin kann es im Rahmen der Krankheit zu vorübergehendem Schielen und ungerichtetem Aggressionsverhalten kommen. Es wird zudem diskutiert, ob die Chiari-ähnliche Malformation zur Entstehung einer Syringomyelie beiträgt15.

Festzuhalten ist also: Nahezu alle Cavalier King Charles Spaniels besitzen die Schädelmissbildung in Form einer Chiari-ähnlichen Malformation. Aber nicht alle von ihnen zeigen deutlich erkennbare Symptome. Kann bei diesen Tieren von Beschwerdefreiheit ausgegangen werden? Ich finde diese Frage schwierig zu beantworten.

Menschen, welche von diese Art der Chiari Malformation aufweisen, haben in über 80 Prozent der Fälle starke Kopfschmerzen. Körperliche Belastung und Niesen verschlimmern diese in der Regel. Ein Großteil der Patienten kämpft daneben mit Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel und zeitweisem Hörverlust.16. An dieser Stelle werden die Probleme in Bezug auf den Hund deutlich. Denn ein Hund kann nur schwer äußern, ob er von Kopfschmerzen, Schwindel und Sehstörungen betroffen ist. Möglicherweise leidet er still und wir bemerken es nicht.17

Eine kleine Studie liefert erste Hinweise dafür, dass dies der Fall sein könnte. In der Arbeit verglichen die Forscher/innen das Gangbild von Cavalieren mit dem von Border Terriern. Alle teilnehmenden Cavaliere waren von der Chiari Malformation betroffen, aber nur ein Teil von ihnen wies eine Syringomyelie auf. Dabei kam eine computergestützte Gangbildanalyse zum Einsatz. Diese liefert auch Informationen, welche dem menschlichen Auge allein entgehen. So können die Bewegungen der Hunde exakter und besser beurteilt werden. Bei allen Cavalieren waren im Gegensatz zur Gruppe der Border Terrier Auffälligkeiten des Gangbildes zu verzeichnen. Diese Auffälligkeiten wiesen auch die Cavalier King Charles Spaniels ohne Syringomyelie auf. Das von den Tieren gezeigte Bewegungsmuster und die subtilen Koordiationsstörungen sind eigentlich typisch für Hunde mit Rückenmarksverletzungen oder Kleinhirnschäden11. Sieht man diese Beeinträchtigung mit dem bloßen Auge? Nein. Dennoch sind Beeinträchtigungen vorhanden. Was, wenn viele der Cavaliere ebenso wie Menschen mit einer Chiari Malformation unbemerkt unter Kopfschmerzen leiden?

Fazit

Nüchtern betrachtet lautet die Zusammenfassung: Zum jetzigen Zeitpunkt werden gezielt Hunde im Rahmen der Rasse Cavalier King Charles Spaniel gezüchtet, deren Schädel zu klein für das Hirn ist. Aktuell gibt es weder ein konkretes Zuchtprogramm gegen diesen Missstand noch ein verstärktes Bewusstsein für die Chiari-ähnliche Malformation, die nahezu alle Cavaliere betrifft.

Titelbild von Luca Montanari

  1. Lewis T, Swift S, Woolliams JA, Blott S. Heritability of premature mitral valve disease in Cavalier King Charles spaniels. Vet J. 2011;188(1):73–6. doi: 10.1016/j.tvjl.2010.02.016 Rusbridge C (2005): Neurological diseases of the Cavalier King Charles spaniel. Journal of Small Animal Practice 46: 265–272.

  2. Summers J, O'Neill D, Church D, Thomson P, McGreevy P, Brodbelt D. Prevalence of disorders recorded in cavalier king Charles spaniels attending primary-care veterinary practices in England. Canine Genetics Epidemiol. 2015;2(1):4. doi: 10.1186/s40575-015-0016-7

  3. Hartley C, Donaldson D, Smith KC, Henley W, Lewis TW, Blott S, et al. Congenital keratoconjunctivitis sicca and ichthyosiform dermatosis in 25 Cavalier King Charles spaniel dogs. Part I: clinical signs, histopathology, and inheritance. Vet Ophthalmol. 2012;15(5):315–26. 

  4. Rusbridge, C, 2005:Neurological diseases of the Cavalier King Charles spaniel. Journal of Small Animal Practice 46: 265–272.

  5. Rusbridge, C, 2007:Chiari-like malformation with syringomyelia in the Cavalier King Charles Spaniel: long-term outcome after surgical management. Veterinary Surgery 36: 396–405

  6. Couturier J, Rault D, Cauzinille L (2008): Chiari-like malformation and syringomyelia in normal cavalier King Charles spaniels: a multiple diagnostic imaging approach. Journal of Small Animal Practice 49: 438–443. 2

  7. Cerda-Gonzalez S, Olby NJ, McCullough S, Pease AP, Broadstone R, Osborne JA (2009c): Morphology of the caudal fossa in Cavalier King Charles Spaniels. Veterinary Radiology & Ultrasound 50: 37–46. 2

  8. Schulze, Sabine & Refai, Miriam & Deutschland, Martin & Failing, Klaus & Schmidt, Martin. (2018). Prevalence of syringomyelia in clinically unaffected Cavalier King Charles Spaniels in Germany (2006-2016). Tierarztliche Praxis. Ausgabe K, Kleintiere/Heimtiere.

  9. Refai, Miriam (2017). Prävalenz der Chiari-ähnlichen Malformation und der Syringomyelie bei Cavalier King Charles Spanieln in der Bundesrepublik Deutschland. Gießen : VVB Laufersweiler Verlag

  10. Parker, J. E., Knowler, S. P., Rusbridge, C., Noorman, E., & Jeffery, N. D. (2011). Prevalence of asymptomatic syringomyelia in Cavalier King Charles spaniels. Veterinary Record, 168(25), 667–667

  11. Olsen, Emil; Suiter, Emma Jane; Pfau, Thilo; McGonnell, Imelda M.; Matiasek, Kaspar; Giejda, Anna; Volk, Holger Andreas (2017): Cavalier King Charles Spaniels with Chiari-like malformation and Syringomyelia have increased variability of spatio-temporal gait characteristics. In: BMC Veterinary Research, Vol. 13, 159 2

  12. Driver CJ, Volk HA, Rusbridge C, Van Ham LM. An update on the pathogenesis of syringomyelia secondary to Chiari-like malformations in dogs. Veterinary Journal 2013;198:551–559.

  13. Dewey CRC. Treatment of canine Chiari-like malformation and syringomyelia. In: Bongura J, Twedt DC, editors. Kirk’s current veterinary therapy. St Louis (MO): Saunders Elsevier; 2008. p. 1102–7.

  14. Rusbridge C. Behavioural and clinical signs of Chiari-like malformation and syringomyelia in cavalier King Charles Spaniels. In: 61st Congress of the BSAVA, Birmingham: British Small Animal Veterinary Association Congress ISBN (2018)

  15. Wijnrocx K, Van Bruggen LWL, Eggelmeijer W, Noorman E, Jacques A, Buys N, et al. (2017) Twelve years of chiari-like malformation and syringomyelia scanning in Cavalier King Charles Spaniels in the Netherlands: Towards a more precise phenotype. PLoS ONE 12(9): e0184893.

  16. Milhorat TH, Chou MW, Trinidad EM, Kula RW, Mandell M, Wolpert C, Speer MC (1999): Chiari I malformation redefined: clinical and radiographic findings for 364 symptomatic patients. Journal of Neurosurgery 45: 1005–1017

  17. Knowler SP, Galea GL, Rusbridge C Morphogenesis of canine Chiari malformation and secondary syringomyelia: Disorders of cerebrospinal fluid circulation. Frontiers of Veterinary Science.. Frontiers 2018;5:171