Der Einfluss unserer Emotionen auf das Hundeverhalten
Anna Pietschmann
am Donnerstag, 31 März 2016“Wie das Herrchen so der Hund” ist ein viel zitierter Spruch. Beeinflussen die eigenen Vorlieben und Abneigungen tatsächlich die des Hundes? Und interessiert sich der Hund überhaupt dafür, wie der Mensch seine Umgebung bewertet?
Fast jeder Hundebesitzer dürfte sich zu diesen Fragen bereits seine Gedanken gemacht haben. Zwei interessante Studien können erste Antworten dazu geben. Sie befassen sich mit einem als “soziales Referenzieren” bezeichneten Phänomen, welches bei Kleinkindern bereits intensiv erforscht wurde.
Soziales Referenzieren beim Menschen
Kleinkinder entwickeln mit zunehmenden Alter ein immer größeres Interesse an ihrer Umwelt. Intensive Entdeckungstouren stehen an, sobald sie durch Krabbelbewegungen in der Lage sind, sich von ihren Eltern zu entfernen. Die Erkundung der Umgebung jenseits der sicheren Arme von Mama und Papa ist natürlich mit mehr Risiken verbunden. Das Berühren heißer Gegenstände kann beispielsweise zu Verbrennungen führen und Gewässer bergen die Gefahr des Ertrinkens. Das Erkennen und Erfassen gefährlicher Situationen ist also überlebensnotwendig.
In diesem Zusammenhang spielen bestimmte soziale Lernprozesse eine wichtige Rolle. Um zu entscheiden, welche Objekte und Situationen zu vermeiden sind, beobachten Babies die Mimik, die Körpersprache und den Tonfall ihrer Eltern. Sie passen ihr Verhalten in den für sie neuen oder nicht eindeutigen Situationen der elterlichen Bewertung an.
Dieser Vorgang wird “soziales Referenzieren” genannt. Durch das Vertrauen auf Umwelterfahrung der Eltern können eigene schmerzhafte und gefährliche Erlebnisse vermieden werden.1
Beim sozialen Referenzieren nutzt man also die Wahrnehmung und Einschätzungen anderer, um die jeweilige Situation besser erfassen zu können, und um zu wissen, wie man sich am besten verhalten sollte.
Beispielsweise spielen Kleinkinder mehr und schneller mit ihnen unbekannten Spielzeugen, wenn eine Bezugsperson positiv auf die Präsentation des jeweiligen Spielzeugs reagiert. Zeigt die Bezugsperson negative Emotionen dem Spielzeug gegenüber, fangen sie nur zögerlich mit Spielen an und wenden sich eher von Spielgegenstand ab.2
Soziales Referenzieren beim Hund
Hunde können eine sehr starke Bindung zu ihrer Bezugsperson entwickeln.3 Das ist wenig überraschend, denn Hunde leben bereits seit mindestens 15 000 Jahren mit dem Menschen zusammen.4 Diese lange Geschichte des Zusammenlebens hat ihre Spuren hinterlassen. Reichen sie aus, um einen komplexen sozialen Lernvorgang wie den des sozialen Referenzierens auch in der Hund-Mensch Beziehung vorkommen zu lassen? Kinder orientieren sich beim sozialen Referenzieren an der Mimik, den Gesten und dem Tonfall der Bezugsperson. Zunehmend tauchen Hinweise auf, dass auch Hunde auf diese Signale achten und sie interpretieren können.
Im Gegensatz zu handaufgezogenen Wölfen, tendieren Hunde beispielsweise mehr dazu, Kommunikative Gesten von Menschen anzunehmen 56 und sich hilfesuchend an sie zu wenden, wenn sie nicht an ein Objekt der Begierde gelangen.7 Zudem verdichten sich die Hinweise darauf, dass Hunde anhand unserer Mimik erkennen können, ob wir positiv oder negativ gestimmt sind.89
So liegt die Vermutung nah, dass auch Hunde auf die emotionalen Signale ihrer Bezugsperson in verunsichernden oder neuen Situationen schauen und dementsprechend ihr Verhalten anpassen.
Ventilatoren und Flatterbänder
Dieser Vermutung wurde erstmalig durch eine Forschungsgruppe der Universität Mailand nachgegangen. 10 Sie wollten herausfinden, ob ein Hund bei der Konfrontation mit einem verunsichernden Reiz seine Bezugsperson anschaut und deren Reaktion beobacht. Weiterhin sollte ermittelt werden, ob allein die Stimmlage und Mimik der Bezugsperson in der entsprechenden Situation das Verhalten des Hundes beeinflussen kann.
Für die Untersuchung mussten Hunde zusammen mit ihren Besitzern und einer fremden Person einen Raum betreten, in welchem ein Ventilator mit grünen Flatterbändern als verunsichernder Reiz installiert war.
Sobald die Hunde zu ihren Besitzern schauten, sollten diese sich entweder positiv oder negativ gegenüber dem Ventilator verhalten. Die positive oder negative Stimmung wurde von den Menschen verbal und durch ihre Mimik ausgedrückt.
Im Vergleich wurde das Verhalten der Hunde beobachtet, während der Besitzer neutral und ein Buch lesend auf einem Stuhl saß. Im Gegensatz zum Besitzer übernahm die zusätzlich im Raum befindliche Person die emotionale Reaktionen dem Ventilator gegenüber.
Bei positivem Gesten des Besitzers oder der Fremdperson zeigten die Hunde verstärktes Erkundungsverhalten dem Ventilator gegenüber und näherten sich ihm verstärkt. Dieser Effekt war jedoch viel stärker in der Testsituation, bei welcher der Besitzer als positive Rückversicherung diente.
Verhielten sich die Personen negativ, tendierten die Hunde dazu, Distanz zum Ventilator zu bewahren. In diesem Fall spiele es fast keine Rolle, ob der Besitzer oder die Fremdperson das negative Verhalten demonstrierten.
Eine eindeutige Aussage darüber, ob der Hund sich an den Gesten der Menschen im Rahmen des sozialen Referenzierens orientiert , kann nicht anhand einer einzelnen Studie getroffen werden. Die Arbeit liefert aber erste Hinweise auf solch einen Vorgang.
Begegnungen mit fremden Personen
In einer weiteren Studie wurde ermittelt, ob Hunde soziales Referenzieren zeigen, wenn sich ihnen fremde Personen nähern. 11
Im Experiment sollten die Besitzer auf drei verschiedene Arten bei der Konfrontation mit der Fremdperson reagieren. Einmal wurden sie dazu angewiesen, drei Schritte auf den Fremden zuzugehen. Im zweiten Fall sollten die Besitzer still stehenbleiben und in der dritten Versuchsversion drei Schritte zurückgehen.
Auch hier zeigten die meisten Hunde rückversichernde Blicke ihrer Bezugsperson gegenüber und passten ihr Verhalten der entsprechenden Reaktion an. Im Falle der stillstehenden oder zurückgehenden Besitzer waren die Hunde zögerlicher und unsicherer bei der Annäherung an die Fremdperson. Sie wendeten sich dann zudem verstärkt ihrer Bezugsperson zu.
Die Wissenschaftler schlussfolgern daraus, dass Hunde ähnlich wie Kleinkinder, soziales Referenzieren zeigen. Sie achten also vermutlich auf die emotionalen Gesten ihrer Besitzer und passen ihr Verhalten den daraus gewonnenen Informationen an.
Fazit
Hundebesitzer beeinflussen das Verhalten ihrer Vierbeiner nicht nur durch Lob und Strafe. Soziale Lernprozesse, zu denen das soziale Rückversichern gehört, finden ebenfalls statt. Das emotionale Verhalten des Besitzers könnte in neuen und verunsichernden Situationen für den Hund eine größere Rolle spielen, als bisher angenommen. Besonders eher ängstliche Vierbeiner profitieren so mit großer Wahrscheinlichkeit von einem sicheren Auftreten und verbalen Ermutigungen des Besitzers. Ein weiterer Grund neben vielen anderen, Hunde in Angstsituationen nicht zu ignorieren und sie im Regen stehen zu lassen.
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