Erfolgreiche züchterische Maßnahmen zur Vermeidung der Hüftdysplasie beim Hund
Anna Pietschmann am Sonntag, 9 August 2020
Berechtigt gefürchtet und oft zu Leid bei Hunden und deren Besitzer/innen führend: Die Hüftdysplasie. Seit Jahrzehnten wird geforscht, durch welche Maßnahmen diese oft auftretende Erkrankung eingedämmt werden kann. Unerlässlich ist im Kampf gegen die Hüftdysplasie eine gezielte Auswahl von Zuchthunden, welche möglichst gesunde Hüften vererben. Welcher Weg dabei am erfolgversprechendsten ist, wurde in mehreren Studien untersucht.
Die Hüftdysplasie des Hundes
Die Hüftdysplasie ist eine bei Hunden sehr häufig vorkommende Erkrankung des Bewegungsapparats. Bei den betroffenen Hunden entwickelt sich im Verlauf des Wachstums das Hüftgelenk anders, als bei gesunden Hunden. Das führt zu dauerhaften Fehlbildungen am Gelenk. Bei einem normal entwickelten Hüftgelenk sitzt der Oberschenkelknochen fest in der Hüftpfanne und wird von dieser dicht umschlossen.
Im Falle einer Hüftdysplasie sorgen jedoch verschiedene Umstände dafür, dass Gelenkkopf und Gelenkpfanne nicht richtig zueinander passen. So können die Hüftpfannen zu flach ausgebildet sowie die Gelenkköpfe verformt sein und das Gelenk ungenügend Stabilität durch zu schwache Bänder aufweisen. Durch die Fehlbildung an der Hüfte wird der Gelenkknorpel geschädigt, welcher als Schutzschicht die im Gelenk aufeinander treffenden Knochen abpolstert und geschmeidige Bewegungen ermöglicht. Zusätzlich dient er als Stoßdämpfer bei starken Belastungen. Die zunehmende Zerstörung des Knorpels, Arthrose genannt, schränkt dessen Funktion ein. Die erfolglosen Versuche des Körpers, den Knorpelverlust auszugleichen, resultieren in Knochenzubildungen. Das hilft dem betroffenen Tier aber keinesfalls, sondern führt nur zu einer fortschreitenden Versteifung der Gelenke. Zusätzlich geht eine Arthrose mit einer schmerzenden Entzündung im Gelenk einher, die auf die gesamte Gelenkkapsel und das angrenzende Muskelgewebe ausstrahlt.
Gerade schwerere Fällen von Hüftdysplasie gehen oft mit starker Arthrosebildung einher. Nach wie vor gibt es keine Möglichkeit, die Arthrose zu heilen. Viele Therapiemöglichkeiten ermöglichen zwar dem Hund, lange Zeit schmerzfrei zu bleiben. Trotzdem bleibt der Vierbeiner dann lebenslang eingeschränkt belastbar und Dauerpatient. Tückischer Weise kann auch der Fall auftreten, dass leichtere Formen der Hüftdysplasie zu starken Schmerzen und somit beeinträchtigter Lebensqualität führen.
Die Hüftdysplasie besitzt also das Potenzial, deutliche Schmerzen und eine Reduktion der Lebensqualität zu verursachen. Die Behandlung ist kostenintensiv, häufig nur in geringem Ausmaß effektiv und größer Eingriffe mit bedeutsamen Komplikationen verbunden. Im Hinblick auf das Tierwohl ist es daher unerlässlich, diese Krankheit so stark wie möglich einzudämmen.
Die Genetik der Hüftdysplasie bei Hunden
Ob ein Hund an Hüftdysplasie erkrankt, hängt den derzeitigen Erkenntnissen nach zu großen Teilen von seinen Erbanlagen ab. Allerdings nicht ausschließlich. Umweltbedingungen wie ein zu hohes Gewicht von jungen Welpen können den Ausprägungsgrad beeinflussen.
Durch Zuchtstrategien wird versucht, den Anteil an Nachkommen mit Hüftfehlbildungen stetig zu verkleinern. Das gestaltet sich allerdings äußerst schwierig, da es sich um einen polygenetischen Erbgang handelt. In diesem Fall entscheiden mehrere Gene in ganz bestimmten Kombinationen darüber, ob ein Hund erkrankt oder nicht. Durch die Vielzahl der beteiligten Gene und den unzähligen Kombinationsmöglichkeiten ist es sehr schwierig, einen Gentest zu entwickeln. Auch wenn es erste erfolgreiche Forschungsansätze dazu gibt, liegt bis heute keine Möglichkeit eines Gentests vor. Ob die jeweiligen Erbinformationen von Elterntieren das Potenzial tragen, eine Hüftdysplasie an ihre Nachkommen zu vererben, kann deshalb nicht ermittelt werden.
Wie gezielte Zucht der Hüftdysplasie beim Hund vorbeugen kann
Auch ohne Gentest gibt es mittlerweile Möglichkeiten, die Anzahl erkrankter Tiere erfolgreich zu senken. Von Interesse ist dabei weniger die genetische Ausstattung des Hundes, sein Genotyp, sondern die äußerlich erkennbaren Merkmale, der Phänotyp. Dafür werden die Hüften bei der Elterntiere geröntgt und nach mittels objektiven und standardisierten Kriterien bewertet. Die mittlerweile am häufigsten angewendete und älteste Form der Hüftbewertung ist in diesem Zusammenhang die Röntgenaufnahme vom sedierten Hund mit gestreckten, parallel zueinander liegenden Gliedmaßen. Die Aufnahme beurteilen dann Gutachter/innen hinsichtlich der Passform von Gelenkkopf und Hüftpfanne.
Um das Ziel möglichst wenig betroffener Nachkommen zu erreichen, sollten dann nur Elterntiere verpaart werden, die keine auf dem entsprechend angefertigtem Röntgenbild ersichtliche Hüftdysplasie aufweisen. Warum das sinnvoll ist, zeigen beispielsweise die Ergebnisse einer älteren Studie. Bei dieser wurden die Hüften von zahlreichen Hunden und deren Nachwuchs ausgewertet. Hatten beide Elterntiere eine Hüftdysplasie, waren 85 Prozent der Nachkommen davon betroffen. Wies nur eines der Elterntiere eine dysplastische Hüfte auf, erkrankten 52 Prozent des Nachwuchses. Besaßen hingegen beide der Eltern gesunde Hüften, entwickelten nur 37,5 Prozent der Nachfahren eine Hüftdysplasie. 1
Auch wenn dieser Weg in einem gewissen Umfang die Anzahl an Hüftfehlbildungen vermeiden kann, erkrankt dennoch ein erheblicher Anteil der Nachkommen vieler Rassen. Das ist leider auch das Ergebnis mehrerer Untersuchungen. In einem Zeitraum von 12 Jahren hat die Verpaarung von Schäferhunden, die nach der Passform von Oberschenkelkopf und Gelenkpfanne der Hüfte ausgewählt worden, keine beträchtliche Verbesserung der Hüftgesundheit innerhalb der Population bewirken können.2 Die Hüften der so selektierten Nachkommen werden zwar schrittweise besser, aber der Prozess dauert sehr lange.34.
Eine Ursache dafür liegt in der niedrigen Erblichkeit der Passform von Gelenkkopf und Gelenkpfanne. Das bedeutet vereinfacht, dass Umweltfaktoren die unterschiedlichen Ausprägungen der Hüftdysplasie zu einem größeren Teil beeinflussen. Ein geringes Gewicht des Saugwelpens und eine gut geförderte Bemuskelung während der Aufzucht kann bewirken, dass ein Hund trotz schlechter genetischer Anlagen eine gute Passung des Hüftgelenks aufweist. Auch wenn die förderlichen Umweltbedingungen dem Röntgenbild nach zu einer augenscheinlich gesunden Hüfte führen, vererbt der betreffende Hund dann potenziell schlechte Hüften.
Ein besseres Vorgehen gegen Hüftdysplasie
Ein anderes Verfahren bewertet die Lockerheit des Hüftgelenkes und nicht die Passform. Die Methode, PennHIP gennant, wurde an einer amerikanischen Universität entwickelt, die auch die dazugehörige Datenbank verwaltet. Bei der Auswertungsmethode wird mittels eines Blocks zwischen den Beinen des sedierten Hundes das Hüftgelenk leicht aus den Pfannen gezogen. Je stärker die Gelenkköpfe herausgezogen werden können, desto stärker entwickelt der Hund Arthrose am Gelenk. Bei jungen Hunden kann bereits ab 16 Wochen durch diese Art der Röntgenaufnahme vorhersagt werden, ob der Hund eine Hüftgelenksdysplasie und Arthrose entwickeln wird.
Die Bewertung der Lockerheit hat einen ganz entscheidenden Vorteil. Sie ist wesentlich geringer durch Umweltfaktoren beeinflussbar, als die Passform des Hüftgelenks. Selbst wenn der Hund durch beispielsweise eine sehr gute Bemuskelung in jungen Jahren noch einen gut aussehenden, tief in der Gelenkpfanne liegenden Hüftkopf aufweist, kann eine starke Lockerheit vorliegen. Diese wird durch das gewöhnliche Röntgen nicht aufgedeckt. In einer Untersuchung bewerteten Forscher/innen die mit der standardmäßig verwendeten Passungs-Methode bewerteten Hüften zusätzlich durch das PennHip verfahren. 80 Prozent der zuvor als gut eingestuften Hüften wiesen eine so starke Lockerheit auf, dass sie mindestens als mittelgradigen Hüftdysplasie mit entsprechend folgender Arthrose zu einzuschätzen waren.5
Das zeigt den Nachteil, wenn nur die Passform der Hüfte als Grundlage für die Verpaarung von Hunden verwendet wird. Zahlreiche Fälle von Hüftdysplasie, die langfristig zur Arthrose führen, bleiben damit unentdeckt und werden an Nachkommen weitergegeben.
Kombination von Röntgenverfahren
In einer aktuellen Studie gingen Wissenschaftler/innen der Frage nach, wie sich die Hüftgesundheit innerhalb von Populationen entwickelt, wenn beide Verfahren kombiniert werden. Dieser Ansatz zeigte bereits bei Schäferhunden und Labrador Retrievern vielversprechende Ergebnisse.3 Sie werteten dafür Daten von einem Zuchtprogramm für behördlichen Spürhunde aus. In den Jahren 2000-2014 erfolgte die Selektion der Zuchthunde mittels der gewöhnlich verwendeten Passform von Gelenkkopf und Hüftpfanne. Durch diese Methode wurde keine verringerte Anzahl dysplastischer Hüften erzielt. 2015 integrierte man zusätzlich das PennHip Verfahren und schloss Hunde mit stärkerer Lockerheit der Hüftgelenke aus der Zucht aus. Dadurch verbesserte sich die Hüftgesundheit der Nachkommen deutlich. Die Forscher/innen empfehlen daher eindringlich, bei der Auswahl von Zuchttieren das PennHip Verfahren zusätzlich zu verwenden.6
Fazit
Die Hüftgesundheit innerhalb von Hundepopulationen kann durch gezielte Zuchtstrategien bemerkenswert verbessert werden. Besonders effektiv hat sich die Kombination zweier Beurteilungsmethoden von Hüften gezeigt. Werden nur Elterntiere in der Zucht verwendet, deren Hüften sowohl nach dem gewöhnlichen Röntgen- und Auswertungsverfahren als auch durch die PennHip Methode als frei von Hüftdysplasie bewertet wurden, steigt der Anteil an hüftgesunden Nachkommen in kurzer Zeit drastisch an. Dieser Weg ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgversprechender als die gewöhnliche Hüftbeurteilung. In kürzerer Zeit gäbe es dadurch weniger Hunde, die unter der Hüftdysplasie und all ihren Folgeerscheinungen leiden müssten. Leider ist das PennHIP Verfahren noch sehr unpopulär.
Titelbild von 50-phi
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Riser WH. A half century of canine hip dysplasia. Semin Vet Med Surg (Small Anim) 1987; 2: 87-91. ↩
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Leppanen M, Maki K, Juga J, et al. Factors affecting hip dysplasia in German shepherd dogs in Finland:efficacy of the current improvement programme. Journal of Small Animal Practice 2000;41:19-23. ↩
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Leighton EA, Linn JM, Willham RL, et al. A genetic study of canine hip dysplasia. American Journal of Veterinary Research 1977;38:241-244. ↩
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Reed AL, Keller GG, Vogt DW, et al. Effect of dam and sire qualitative hip conformation on progeny hip conformation. Journal of the American Veterinary Medical Association 2000;217:675-680. ↩
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Powers MY, Karbe GT, Gregor TP, et al. Evaluation of the relationship between Orthopedic Foundation for Animals’ hip joint scores and PennHIP distraction index values in dogs. J Am Vet Med Assoc 2010;237:532–541 ↩
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Haney, P. S., Lazarowski, L., Wang, X., Wang, X., Hathcock, J., Lofton, R., . . . Waggoner, L. P. (2020). Effectiveness of PennHIP and Orthopedic Foundation for Animals measurements of hip joint quality for breeding selection to reduce hip dysplasia in a population of purpose-bred detection dogs. Journal of the American Veterinary Medical Association, 257(3), 299-304. doi:10.2460/javma.257.3.299 ↩