Gefühle von Hunden erkennen - gelernt oder geerbt?
Anna Pietschmann
am Dienstag, 3 Dezember 2019Auf dem Weg zur Tierarztpraxis sinkt die Laune von so manchem Hund. Die Ohren hängen, das Gesicht sieht besorgt aus und der Schwanz steht auf Halbmast. Wir sind uns sicher: Er hat Angst vor dem Tierarzt. Aber woher stammt eigentlich dieses Wissen?
Was sind Emotionen?
Emotionen wie Wut, Furcht und Freude sind unsere täglichen Begleiter. Dabei handelt es sich um ein Muster aus Gefühlen, körperlicher Erregung, der Ausschüttung spezieller Hormone und ganz bestimmten Verhaltensreaktionen. Emotionen werden durch Situationen ausgelöst, die von uns oder dem jeweiligen Tier als bedeutsam wahrgenommen werden. Sie dienen in erster Linie der Anpassung an die Umwelt, um das Überleben zu sichern. So verhindert das mit der Emotion Ekel einhergehende unangenehmen Gefühle, verdorbene, krankmachende Lebensmittel zu essen.
Sie spielen aber auch eine Rolle im sozialen Miteinander. Denn mit den inneren Gefühlen und Zuständen gehen auch äußerliche, körpersprache Reaktionen einher. Wir erkennen dadurch, wenn sich unser gegenüber traurig fühlt oder Freude empfindet.
Erkennen von Emotionen
Den Mitgliedern ein und derselben Art gelingt es in der Regel sehr gut, die Emotionen des Gegenübers einzuschätzen. Diese Fähigkeit scheint zu großen Teilen in den Genen verankert zu sein.12 Oft geht aber bei verschiedene Tierarten die gleiche emotionale Lage mit unterschiedlichem Ausdrucksverhalten einher. So kommt es leicht zu Missverständnissen oder die Emotionen des artfremden Gegenübers können zumindest nur eingeschränkt entschlüsselt werden. Unsere Vierbeiner spielen in dieser Hinsicht eine besondere Rolle. Als wahrscheinlich erstes domestiziertes Tier teilt der Hund sein Dasein mit dem Menschen seit mindestens 30 000 Jahren. Diese sind nicht spurlos am Hund vorbei gegangen, sondern haben ihm bemerkenswerte Fähigkeiten für das Zusammenleben mit dem Menschen verliehen. Sie können mit hoher Wahrscheinlichkeit einfache Emotionen des Menschen korrekt erkennen. Dazu benutzen sie verschiedene optische und akustische Hinweise, wie die Stimmlage des Menschen oder seinen Gesichtsausdruck. Sie scheinen in dieser Fähigkeit anderen Tieren wie Wölfen oder Schimpansen überlegen zu sein. Ob Menschen hingegen gut die emotionale Lage des Hundes einschätzen können, wurde noch wenig erforscht. Eine aktuelle Studie befasst sich mit diesem Thema.
Mensch liest Hund
Das Wissenschaftsteam rund um Federica Amici untersuchte, wie gut Menschen Emotionen von Hunden erkennen können.3 Ebenso interessierte sie die Frage, ob wir durch die gemeinsame lange Geschichte mit den Vierbeinern eine Art Grundverständnis von hündischen Emotionen in unseren Genen verankert tragen. Dann müssten auch mit wenig Hundekontakt aufgewachsene Personen und Kinder ähnlich korrekt Emotionen des Hundes identifizieren wie Erwachsene mit viel Hundekontakt.
Die Forscher/innen verglichen hierfür die Leistungen von Menschen, die aus unterschiedlichen kulturellen Umfeldern stammten. So gehörte eine der getesteten Personengruppen einem kulturellen Umfeld an, in welchem der Hund fest im Alltag integriert und ein Teil der Familie ist. Weitere Gruppen wurden dann beispielsweise aus kulturellen Umgebungen rekrutiert, die tendenziell eine eher negative Sicht auf den Hund haben und ihm wenig Bedeutung beimessen. Ebenso wurden die Fähigkeiten von Kindern gemessen. Neben Bildern von Hunden legten die Wissenschaftler/innen den Probanden zusätzlich solche von Menschen und Schimpansen vor. Auch hier war die Aufgabe, die jeweilige emotionale Lage zu beurteilen.
Insgesamt bestand das Bildermaterial aus jeweils 20 Fotos pro Art in unterschiedlichen emotionalen Zuständen. Auf den Fotos waren dann die Menschen und Tiere in entweder in neutralem Zustand oder in einer von vier unterschiedlichen emotionalen Lagen zu sehen: Freudig, traurig-gestresst, wütend und ängstlich.
Ergebnis
Die Fähigkeit, hündische Emotionen korrekt einschätzen zu können, scheint den gewonnenen Daten zufolge größtenteils von der eigenen Erfahrung mit Hunden abzuhängen. Dazu zählt natürlich der direkte Hundekontakt, der durch den Besitz eines Hundes entsteht. Aber ebenso förderlich wirkten indirekte Erfahrungen mit Vierbeinern aus kulturellen Umfeldern, die dem Hund positiv gegenüber stehen. In Regionen, in denen Hunde häufig als Mitglied der Familie vorkommen und einen hohen Status haben, scheinen die Fähigkeiten zur Emotionserkennung auch bei Nichthundehaltern ausgeprägter zu sein. Im Gegensatz zu den Bildern von Menschen schnitten sämtliche Menschen tendenziell schlecht darin ab, Angst beim Hund zu erkennen. Das schließt auch die Hundebesitzer mit ein. Wir scheinen größere Schwierigkeiten zu besitzen, ohne direkte Anleitung ängstliche Emotionen bei anderen Arten zu erkennen. Zu diesem Ergebnis sind auch vorherige Untersuchungen gekommen.456
Kinder hingegen hatten durchgängig größere Probleme bei der Identifikation von tierischen Emotionen. Sowohl bei den Schimpansen- als auch bei den Hundebildern lagen sie viel häufiger falsch als bei den Fotos mit Menschen. Interessanterweise spielte es keine Rolle, ob die Kinder hundeerfahren waren oder nicht. Nur die Emotionen Wut und Freude konnten sie öfter korrekt in den Tierbildern erkennen. Hier mutmaßen die Forscher/innen, dass es sich doch um eine teils angeborene Fähigkeit handeln könnte.
Grundsätzlich fiel es allen Probanden leichter, die emotionale Lage über den Kontext der Bilder zu bestimmen. Anscheinend ist einfacher zu beschreiben, dass der Hund so aussieht, als würde er gleich jemanden attackieren, als zu sagen, dass der Hund die Emotion Wut trägt.
Fazit
Um hündische Emotionen korrekt interpretieren zu können, benötigen wir der Studie zufolge direkte oder indirekte Erfahrungen mit den Vierbeinern. Die Fähigkeit zum Lesen der Gefühlslagen des Hundes ist demnach eher gelernt als angeboren.
Einen Einfluss scheint zudem auch das kulturelle Umfeld zu besitzen. Ein kulturelles Umfeld, in welchem der Hund einen hohen Status hat und positiv bewertet wird, führt zu besseren Leistungen im Erkennen von dessen Emotionen. Personen aus einem dem Hund gegenüber positiv eingestellten kulturellen Umfeld zeigen bessere Leistungen bei der Identifikation der Hunde-Emotionen als solche, die aus einem dem Hund gegenüber eher negativ eingestellten kulturellen Milieu stammen.
Trotz Hundeerfahrung scheint es besonders schwierig zu sein, die Emotion Angst bei Hunden zu erkennen. Dabei dürfte diese Fähigkeit gerade für Hundehalter eine große Rolle spielen, um den Hund bei Bedarf zu unterstützen und ihm zu helfen.
Titelbild von Anna Levizon
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Schmidt, K. L. & Cohn, J. F. Human facial expressions as adaptations: evolutionary questions in facial expression research. Am. J. Phys. Anthropol. 33, 3–24 (2001). ↩
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de Waal, F. B. M. (2003). Darwin's legacy and the study of primate visual communication. In P. Ekman, J. Campos, R. J. Davidson & F. B. M. De Waal (Eds.), Emotions inside out: 130 years after Darwin's The Expression of Emotion in Man and Animals (pp. 7-31). New York: New York Academy of Sciences. ↩
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Amici, F., Waterman, J., Kellermann, C.M. et al. The ability to recognize dog emotions depends on the cultural milieu in which we grow up. Sci Rep 9, 16414 (2019) doi:10.1038/s41598-019-52938-4 ↩
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Pongracz, P., Molnar, C., Doka, A. & Miklosi, A. Do children understand man’s best friend? Classification of dog barks by pre-adolescents and adults. Appl. Anim. Behav. Sci. 135, 95–102 (2011). ↩
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Lakestani, N. N., Donaldson, M. L. & Waran, N. Interpretation of dog behavior by children and young adults. Anthrozoös 27, 65–80 (2014) ↩
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Wan, M., Bolger, N. & Champagne, F. A. Human perception of fear in dogs varies according to experience with dogs. PLoS One 7, e51775 (2012) ↩