Hormone im Hundefutter

Anna Pietschmann

am Samstag, 12 August 2017

In den letzten Jahren gewinnt selbst zubereitetes Futter im Gegensatz zum kommerziellen Trocken- und Dosenfutter wieder zunehmend an Beliebtheit. Etwa acht Prozent der Hundebesitzer in Deutschland stellen die Rationen für ihren Vierbeiner selbst zusammen. Wer sich für diese Art der Fütterung entscheidet, muss einiges für bedarfsgerechte und gesunde Rationen beachten. Warum ist es sinnvoll, die verfütterten Fleischsorten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen?

Was ist eine Schilddrüsenüberfunktion

Die Schilddrüse ist eine bei Säugetieren unterhalb des Kehlkopfs sitzende Hormondrüse. Sie produziert verschiedene Schilddrüsenhormone, die eine wichtige Rolle für viele Stoffwechselvorgänge des gesamten Körpers spielen. Verschiedene Krankheiten führen dazu, dass die Schilddrüse zu viel oder zu wenig Hormone produziert.

Bildet sie zu viele Schilddrüsenhormone, wird von einer Schilddrüsenüberfunktion gesprochen. Der Überfluss an Hormonen aktiviert den Stoffwechsel übermäßig stark und bringt mehrere Funktionen des Körpers aus dem Gleichgewicht.

Wie stark sich der erhöhte Spiegel an Schilddrüsenhormonen bemerkbar macht, schwankt von Hund zu Hund. Einigen Vierbeinern ist äußerlich nur wenig anzumerken und die Schilddrüsenüberfunktion wird nur zufällig bei einem Blutbild entdeckt. Es treten aber auch Symptome wie vermehrter Durst und Hunger, Gewichtsverlust, erhöhte Körpertemperatur, Leistungsintoleranz, Hyperaktivität und gesteigerte Aggressivität auf. Besonders dramatisch wirkt sich eine Überfunktion mitunter auf das Herz aus. Ein zu hoher Spiegel an Schilddrüsenhormonen kann einen dauerhaft beschleunigten Puls und Herzrhythmusstörungen verursachen. Langfristig drohen dadurch Herzschäden, Ohnmachtsanfälle oder sogar der Herztod. 1234

Ernährungsbedingte Schilddrüsenüberfunktion

Eigentlich tritt beim Hund eine Überfunktion der Schilddrüse im Gegensatz zur Unterfunktion äußerst selten auf. In der Regel ist dann ein aggressiver, lebensbedrohlicher Tumor der Schilddrüse für die Überfunktion verantwortlich.1

Leidet der Hund nicht unter solch einer Krebserkrankung, ist immer die erhöhte Aufnahme von Schilddrüsenhormonen aus irgendeiner Quelle für erhöhte Schilddrüsenwerte und die damit verbundenen Folgen verantwortlich. Zu den möglichen Ursachen für eine durch äußere Einflüsse ausgelösten Schilddrüsenüberfunktion gehören Bestandteile im Futter des Hundes, welche Schilddrüsenhormone enthalten. Dieses Phänomen ist bereits vom Menschen bekannt. Das zeigen zahlreiche Berichte von Überfunktionen, ausgelöst durch den Verzehr von mit Schilddrüsenhormonen belasteten Fleisch- und Wurstwaren.56 Tierärzte beobachten bei Hunden zunehmend solche Fälle von ernährungsbedingter Schilddrüsenüberfunktion.

Warum häufen sich die Fälle?

Dass die ernährungsbedingte Schilddrüsenüberfunktion häufiger auftritt, könnte mit der zunehmenden Beliebtheit von hausgemachten Futter-Rationen zusammenhängen. Dabei wird gekochtes oder rohes Fleisch mit Gemüse, Getreide, Ölen und anderen notwendigen Zusätzen kombiniert. Diese Art der Fütterung erlaubt im Gegensatz zum Fertigfutter eine höhere Kontrolle über die einzelnen Futterbestandteile und deren Herkunft. Sie birgt aber auch das Risiko, vermehrt mit Schilddrüsenhormonen belastetes Fleisch zu verfüttern.

Größere Mengen an aktiven Schilddrüsenhormonen sind bei Schlachttieren entlang des gesamten Halses bis zur Brust zu finden. Viele der Fleisch für Heimtiere anbietenden Futterhändler haben sogenanntes Stichfleisch im Angebot. Als Stichfleisch werden diejenigen Fleischstücke vom Rind bezeichnet, welche die Einstichstellen zum Entbluten umgrenzen. Das Stichfleisch ist oftmals sehr kostengünstig, da es nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen ist. Allerdings enthält es, bedingt durch seine Lage an Hals und Brust, oft größere Mengen an Schilddrüsenhormonen. Weitere Quellen für aktive Hormone können Kehlköpfe und Halsfleisch enthaltende Fleischmixe sein.

Die Gefahr von gesundheitlichen Auswirkungen durch die Schilddrüsenhormone steigt, wenn das Fleisch gefrostet gelagert wird. Denn während viele Säugetiere auch größere Mengen von Gewebe mit Schilddrüsenhormonen aufnehmen können, steigt die Gefahr von negativen Auswirkungen besonders dann, wenn die hormonhaltigen Fleischstücke zuvor mindestens 24 Stunden auf Eis gelegen haben. Im Frost gelagert, haben die Hormone eine stärkere Auswirkung auf den Körper. Auch wenn das so gelagerte Fleisch später erhitzt wird, bleiben die Schilddrüsenhormone weiterhin verstärkt aktiv.7

Was ist zu tun?

Die ernährungsbedingte Schilddrüsenüberfunktion kann eine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit des Hundes darstellen. Das dokumentieren mehrere veröffentlichte Fallberichte von Tierärzten.8 9 10 Fatal dabei ist, dass die so entstehenden Herzbeschwerden manchmal auch ohne weitere äußerlich erkennbare Symptome vorkommen. In anderen Fällen sind die typischen Symptome wie übermäßiges Hecheln, Nervosität und starker Durst zu beobachten. Wie viel ein Hund an zusätzlichen Schilddrüsenhormonen verträgt oder eben nicht, ist hochgradig individuell.

Um zu verhindern, dass eine Schilddrüsenüberfunktion durch Futtermittel entsteht, sollten Stichfleisch und Fleischmixe mit Halsfleisch oder Kehlkopf nur in größeren Abständen und nicht regelmäßig gefüttert werden. Das gilt vor allen Dingen bei tiefgekühlt gelagerter Ware.

Titelbild von Georgie Pauwels

  1. Mooney CT. Canine hyperthyroidism. In: Mooney CT, Peterson ME, eds. BSAVA Manual of Canine and Feline Endocrinology, Fourth ed. Quedgeley, Gloucester: British Small Animal Veterinary Association; 2012:86-91.

  2. Refsal K, Nachreiner R. Monitoring thyroid hormone replacement therapy. In: Bonagura JD, Ed. Kirk’s Current Veterinary Therapy XII. Philadelphia: WB Saunders Co. 1995:364-368.

  3. Peterson ME: Hyperthyroidism and thyroid tumor in dogs. In: Melian C, Perez Alenza MD, Peterson ME, Diaz M, Kooistra H (eds): Manual de Endocrinología en Pequeños Animales (Manual of Small Animal Endocrinology). Multimedica, Barcelona, Spain, 2008;113-125.

  4. Fine DM, Tobias AH, Bonagura JD: Cardiovascular manifestations of iatrogenic hyperthyroidism in two dogs. J Vet Cardiol 2010;12:141-146.

  5. Hendriks L.E.L., Looij B.J. (2010). Hyperthyroidism caused by excessive consumption of sausages. The Netherlands Journal of Medicine 68, 135-137

  6. Hedberg C.W., Fishbein D.B., Janssen R.S., Meyers B., McMillen J.M., MacDonald K.L., White K.E., Huss L.J., Hurwitz E.S., Farhie J.R. (1987). An outbreak of thyrotoxicosis caused by the consumption of bovine thyroid gland in ground beef. The New England Journal of Medicine 316, 993-998.

  7. CUNNINGHAM, R. H. (1898) Experimental hyperthyroidism. Journal of Experimental Medicine 3, 147-243

  8. FK Zeugswetter, K Vogelsinger, S Handl (2013): Hyperthyroidism in dogs caused by consumption of thyroid- containing head meat. Schweiz Arch Tierheilk 155, 149-152.

  9. Köhler B., Stengel C., Neiger R. (2012). Dietary hyperthyroidism in dogs. Journal of Small Animal Practice 53, 182-184.

  10. Cornelissen S, De Roover K, Paepe D, Hesta M, Van der Meulen E, Daminet S. Dietary hyperthyroidism in a Rottweiler. Vlaams Diergeneeskundig Tijdschrift 2014; 83:306-311.