Kann Angst auf Hunde übertragen werden?
Anna Pietschmann
am Samstag, 1 Mai 2021“Sei doch nicht so ängstlich, das überträgt sich auf den Hund.” Dieser Satz ist häufig in Diskussionen von Hundehalter/innen zu hören. Aber zeigen Hunde von ängstlichen Halter/innen auch wirklich verstärkt Angstverhalten? Eine aktuelle Studie befasst sich mit dieser interessanten Fragestellung.
Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal
Unser Verhalten und Denken ist maßgeblich durch unsere Persönlichkeit geprägt. Im wissenschaftlichen Sinne kann die Persönlichkeit als eine Sammlung zeitlich stabil bleibender Eigenschaften und Einstellungen gesehen werden. Diese führen dann zu den charakteristischen Verhaltensweisen einer Person. Ein solches Persönlichkeitsmerkmal ist die in der Psychologie als “Trait-Angst” bezeichnete Ängstlichkeit. Je ausgeprägter die Ängstlichkeit bei Menschen ist, desto schneller und stärker nehmen sie ihre Umwelt als gefährlich war. Im Vergleich zu Menschen mit geringer Ängstlichkeit werden Situationen und Aussagen von ihnen als bedrohlicher bewertet. Personen mit hohen Werten bei der Ängstlichkeit widmen potenziell angstauslösenden Reizen mehr Aufmerksamkeit und erinnern sich häufiger an negative als an positive Ereignisse.
Ängstliche Menschen, ängstliche Hunde?
In der Studie untersuchten die Forscher/innen den Zusammenhang zwischen der Ausprägung von Ängstlichkeit von Hundebesitzer/innen und Angstverhalten ihrer Hunde.1 Dabei verfolgten sie mehrere in Frage kommende Ursachen eines Zusammenhangs. Zum einen könnten die Hunde durch Stimmungsübertragung das ängstliche Verhalten ihrer Bezugsperson direkt übernehmen. Möglich wäre auch ein Mangel ausreichender Gewöhnung an Umweltreize durch überfürsorgliches Verhalten. Die Besitzer/innen könnten dadurch dem Hund Chancen verwehren, sich selbstständig mit neuen Situationen und zunächst als bedrohlich empfundenen Reizen vertraut zu machen. Als dritte Erklärung wird die Option angeführt, dass ängstliche Menschen eher auf strafende Maßnahmen in der Erziehung zurückgreifen, was ängstlicheres Verhalten des Hundes hervorrufen könnte.
Insgesamt wurden für die Studien die Daten von über 1000 Hundehalter/innen ausgewertet, welche für die Untersuchung mehrere Fragebögen beantworteten. Mittels der Befragungen erfassten die Wissenschaftler/innen den Grad an Ängstlichkeit der Menschen sowie die Ausprägung von ängstlichem Verhalten der dazugehörigen Hunde. Außerdem mussten Befragungen zum Erziehungsstil und zu überfürsorglichem Verhalten ausgefüllt werden. Die Forscher/innen interessierte zudem, wie stark die Hunde auf die Emotionen ihrer Besitzer/innen reagierten.
Ergebnis
Die Datenanalyse ergab, dass die Hunde von Besitzer/innen mit ausgeprägter Ängstlichkeit den Angaben zufolge tatsächlich auch häufiger ängstliches Verhalten zeigten. Das ängstliche Verhalten der Hunde ist den Erkenntnissen der Studie zufolge jedoch eher nicht durch Überbehütung oder strafende Erziehungsmethoden verursacht. Hunde, die besonders stark und sensibel auf die emotionale Lage des Menschen reagierten, zeigten ein umso deutlicher von der Angst des Menschen beeinflusstes Verhalten. Das spricht eher für die Theorie der direkten Stimmungsübertragung. Ähnliche Beobachtungen wurden bereits in Eltern-Kind Beziehungen gemacht.2
Trotzdem gilt: Es handelt sich hierbei um eine Zusammenhangsstudie, aus der nicht einfach ein Ursache-Wirkungsgefüge abzuleiten ist. Zusätzlich basieren die Daten der Studie ausschließlich aus Selbstauskünften der Teilnehmenden. So könnten beispielsweise eher ängstliche Menschen Angstverhalten beim Hund dramatischer und stärker bewerten als weniger ängstliche.
Eine weitere offene Frage ist zudem, von welchen Faktoren abhängig ist, wie stark sich ein Hund von menschlichen Emotionen beeinflussen lässt. Zukünftige Forschung in diesem Bereich hilft unter Umständen dabei, den passenden Hund für den jeweiligen Menschen auszuwählen.
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Maria Pereira , Antonio Lourenco , Mariely Lima , James Serpell , Karine Silva , Evaluation of mediating and moderating effects on the relationship between owners’ and dogs’ anxiety: a tool to understand a complex problem, Journal of Veterinary Behavior (2021), doi: https://doi.org/10.1016/j.jveb.2021.03.004 ↩
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Ginsburg, G. S., Schleider, J. L., Tein, J. Y., Drake, K. L., 2018. Family and parent predictors of anxiety disorder onset in offspring of anxious parents. In Child & youth care forum (Vol. 47, No. 3, pp. 363-376). Springer US. https://doi.org/10.1007/s10566-017-9432-z ↩