Spielt die Art der Erziehungsmethode eine Rolle für das Wohlbefinden des Hundes?

Anna Pietschmann

am Sonntag, 10 Januar 2021

Neben Diskussionen über die richtige oder falsche Ernährung des Hundes, ist dessen Erziehung ein weiterer Dauerbrenner. Ein Thema, zu dem es viele Meinungen, aber noch wenig fundierte Erkenntnisse jenseits der Grundlagen gibt. Ein Team aus Wissenschaftlerinnen ist daher den Einflüssen des Erziehungsstils auf das Wohlbefinden des Hundes nachgegangen.

Erziehung des Hundes ist notwendig

Hunde, die eng mit ihrem Menschen zusammenleben, stehen oft vor zahlreichen Herausforderungen. Viele der hündischen Verhaltensweisen sind aus menschlicher Perspektive unerwünscht und müssen reguliert werden. Schließlich erwarten wir vom Hund, dass er stubenrein ist, ohne zu ziehen an der Leine läuft und nicht unkontrolliert jagen geht. In den meisten Fällen benötigt der Haushund daher ein gewisses Maß an Erziehung, also die aktive Beeinflussung seines Verhaltens durch den Menschen.

Darüber, welche Erziehungsmaßnahmen am geeignetsten und erfolgreichsten sind, wird teils emotional diskutiert. Oft taucht in diesem Rahmen die Frage auf, wie sich die unterschiedlichen Methoden der Erziehung auf das Wohlbefinden des Hundes auswirken. Eine aktuelle Studie beschäftigt sich nun genau mit dieser Fragestellung.1

Erziehungsmethoden von Hunden unter der Lupe

Die an der Untersuchung teilnehmenden Hundeschulen wurden jeweils einer von drei Gruppen zugeteilt. Die Zuordnung basierte dabei auf der erzieherischen Ausrichtung der unterschiedlichen Hundetrainer/innen. Um diese zu beurteilen, begutachteten die Wissenschaftlerinnen Trainingsvideos der verschiedenen Hundeschulen. Hundeschulen, die als erzieherische Maßnahmen hauptsächlich unangenehme Konsequenzen wie Leinenrucke, oder körperliche Bedrohungen für unerwünschtes Verhalten verwendeten, teilten sie der sogennanten “Aversivgruppe” zu. Hundetrainer/innen deren Training vorrangig im Belohnen von erwünschtem Verhalten bestand und die möglichst keine unangenehmen Reize in ihr Training integrierten, bildeten die “Belohnungsgruppe. In der sogennanten “gemischten Gruppe” kamen sowohl Belohnungen als auch unangenehme, aversive Maßnahmen zum Einsatz.

Für die Studie selbst nahmen insgesamt 92 Hund-Mensch-Teams der jeweiligen Hundeschulen teil. Hunde mit Verhaltensproblemen schlossen die Forscherinnen von der Untersuchung aus. Würden sich zufallsbedingt in einer Gruppe vermehrt Hunde mit Angst- oder Aggressionsproblemen befinden, könnte das zu einer verfälschten Bewertung der Erziehungsmethoden führen.

Von Interesse waren sowohl die Auswirkungen der Erziehungsmethoden innerhalb von Trainingssituationen als auch das Wohlbefinden außerhalb des Trainingskontexts gewesen. Um die Gefühlslage und Stressbelastung der Hunde innerhalb des Trainings zu ermitteln, werteten drei Forscherinnen unabhängig voneinander Videos der 92 Vierbeiner im Training aus. Die bewertenden Personen befanden sich in Unkenntnis, zu welcher Gruppe die Hund-Mensch Gespanne gehörten. Sie prüften dann anhand eines vorher definierten Verhaltenskatalogs, wie häufig die Hunde auf Stress und Konflikt deutendes Verhalten zeigten. Zu den zu erfassenden Verhaltensweisen gehörten unter Anderem das Anheben der Vorderpfote, Kriechen, Aufschreien, deutliches Weglaufen oder Wegdrehen vom Menschen. Außerdem wurde der Cortisolgehalt im Hundespeichel ermittelt. Ein erhöhter Cortisolgehalt kann ein Hinweis für körperliche und mentale Belastung sein.

Über pessimistische und optimistische Hunde

Die Bewertung des Wohlbefindens der Vierbeiner außerhalb des Trainings erfolgte mittels des sogenannten kognitiven Bias Tests. Dieser Test basiert auf bei Menschen bewährten Verfahren.

Unsere Stimmung und unser emotionaler Zustand beeinflussen, wie wir die Welt wahrnehmen und denken. Das wird besonders in mehrdeutigen Situationen deutlich, die uns täglich begegnen. So muss beispielsweise interpretiert werden, ob das Lächeln eines Mitmenschens eine freundliche Geste ist, oder ob man ausgelacht wird. Viele Personen, die unter einer Depression und negativen Gefühlslage leiden, tendieren zu besonders negativen Interpretationen. Dadurch bewerten sie neutrale oder uneindeutige Gesichtsausdrücke und Verhaltensweisen von Mitmenschen tendenziell negativer und pessimistischer. 23. Insgesamt neigen also Personen mit eher negativer Gefühlslage zu einer pessimistischen, negativen Sicht und Menschen mit positiver Stimmung eher zu Optimismus und positiven Interpretationen. Diese Verzerrungen des Denkens und der Wahrnehmung werden im Englischen als Bias bezeichnet.

Auch bei Tieren sind ähnliche Zusammenhänge zu beobachten. Ratten lernten in einer Untersuchung, dass sie bei einem bestimmten Ton eine Taste drücken mussten, um einer Bestrafung zu entgehen. Im weiteren Verlauf hörten die Ratten unterschiedlichste Töne. Die eher mutigen Ratten reagierten nur auf das speziell mit der potenziellen Bestrafung verknüpfte Geräusch mit Tastendruck. Ängstliche Ratten hingegen zeigten bei viel mehr Tönen eine Reaktion. Sie interpretierten also viel mehr Reize als bedrohlich im Gegensatz zu den mutigeren Ratten.4

Derartige Zusammenhänge ermöglichen in einem gewissen Maß den Rückschluss vom Verhalten auf die Stimmung und die Gefühlslage. Von vorsichtigem, pessimistischem Verhalten wird auf eine eher negative emotionale Lage geschlossen. Diese kann auf ein reduziertes Wohlbefinden und eine niedrigere Lebensqualität hindeuten.

Im speziell für Hunde entwickelten kognitiven Bias Test lernt der Hund, dass es aus verschiedenen Futterschüsseln auf der einen Seite immer zuverlässig Futter gibt, während er auf der anderen Seite immer leer ausgeht. Interessant ist dabei das Verhalten, welches die Hunde an zwischen diesen Orten liegenden Schüsseln zeigen. Bei Hunden mit negativer Gefühlslage wird eher pessimistisches Verhalten erwartet. Sie nähern sich beispielsweise zögerlicher und langsamer den Futternäpfen an, die in der Nähe der futterlosen Schüsseln stehen.

Zu viele Strafen können stressen

Die Hunde aus der Gruppe, in der vorrangig mit unangenehmen Konsequenzen gearbeitet wurde, zeigten erwartungsgemäß am häufigsten Anzeichen von Stress und Konflikt. Weniger Stressanzeichen und Meideverhalten war bei den Hunden aus der Mischgruppe zu beobachten. Diese Vierbeiner von Hundeschulen, die sowohl unangenehme als auch angenehme Konsequenzen wie Leckerlies erhielten, zeigten aber im Gegensatz zu der reinen Belohnungsgruppe immernoch mehr Stressignale.

Dafür verhielten sich die Hunde aus vorrangig aversiv arbeitenden Gruppe weniger aufgeregt als die der beiden anderen. Ein allgemein entspannter Zustand war aber bei der gemischten und belohnenden Gruppe bedeutsam häufiger zu verzeichnen.

Bei der Kontrolle des Stresshormons Cortisol verzeichneten die Forscher/innen nur Unterschiede nach den Trainingseinheiten. Von Bedeutung war diesbezüglich vor allen Dingen der Unterschied zwischen der Belohnungsgruppe und der nur mit negativ Konsequenzen arbeitenden Aversivgruppe. Letztere wiesen im Vergleich einen deutlich höheren Anstieg an Cortisol auf, was ein Anzeichen für eine erhöhte Stressbelastung in dieser Gruppe sein kann.

In dem die Stimmung und das Wohlbefinden des Hundes ermittelnden Cognitive Bias Test, verhielten sich die Hunde aus der Aversivgruppe am zögerlichsten. Das könnte ein Hinweis für einen eher negativen Gefühlszustand sein, der länger andauert.

Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Es ist nicht verwunderlich, dass die Anzeichen für Stress und Konfliktverhalten umso stärker waren, je mehr unangenehme Konsequenzen im Training verwendet wurden. Schließlich liegt es ja in der Natur der Sache, dass die entsprechenden Reize wie Leinenrucke oder körperliche Einschränkungen auch als unangenehm vom Hund empfunden werden. Ansonsten würden sie nichts am Verhalten der Hunde ändern und die angestrebten Erziehungsziele würden nicht erreicht werden.

Interessanter ist der Gehalt des Stresshormons Cortisol nach den Trainingseinheiten. Dieser war in der Aversivgruppe besonders hoch. Die Hunde schienen daher durch das Training nachhaltiger gestresst zu sein. Im Vergleich zu anderen Studien, in denen der Cortisolspiegel nach unangenehmen Reizen bei den Hunden gemessen wurde, fielen diese niedriger aus. Als mögliche Ursache dafür führen die Forscherinnen die Art der unangenehmen Konsequenzen an. Bei anderen Arbeiten bestanden diese hauptsächlich aus vom Menschen abgekoppelten Umweltreizen wie Stromschläge oder plötzliche laute Geräusche. Bei den mit aversiven Konsequenzen arbeitenden Gruppen dieser Studie wurden hingegen hauptsächlich vom Menschen ausgehende soziale Konsequenzen verwendet. Solche Einwirkungen sind möglicherweise von den Hunden besser einschätzbar gewesen, was zu einer geringeren Stressbelastung führt. Je kontrollierbarer und einschätzbarer und damit in Folge erfolgreich vermeidbarer ein unangenehmer Reiz für den Hund ist, desto weniger wird er davon gestresst 56

Eine weitere spannende Beobachtung: Wie sehr ein aversives Hilfsmittel den Hund stresst, hängt vorrangig von dessen Einsatz ab. Exemplarisch wird der Vergleich zwischen zwei Hundeschulen der Studie angeführt. In der einen arbeitenden die Halter/innen mit Stachelhalsbändern, in der anderen mit Kettenhalsbändern. Die Hunde aus der mit Kettenhalsbändern arbeitenden Hundeschule wiesen aber mehr Stressverhalten auf.

Ebenso von Bedeutung ist, ob der Hund vermeintlich angenehme Konsequenzen und Belohnungen auch wirklich als solche auffasst. Die Hunde einer Hundeschule, in welcher die Tiere ausschließlich durch Streicheln belohnt werden sollten, zeigten die höchste Anzahl unterschiedlicher Stressanzeichen. Die Wissenschaftlerinnen vermuten zusätzlich, dass hochwertige Belohnungen wie besonders leckeres Essen das Stresslevel senken können, wenn im Training auch auf unangenehme Reize zurückgegriffen wird.

Fazit

Den Daten der Studie zufolge sind Hunde möglicherweise umso gestresster, je mehr unangenehme Reize ihnen im Training zugeführt werden. Basieren die Erziehungsmaßnahmen ausschließlich auf negativen Konsequenzen, könnte das langfristig das Wohlbefinden der Hunde verschlechtern und sich negativ auf deren Gefühlslage auswirken. Aversive Einwirkungen wie Leinenrucke oder körperliche und stimmliche Bedrohungen wirken sich ganz besonders dann belastend aus, wenn sie für den Hund nicht einschätzbar und kontrollierbar sind. Entgegen einiger zirkulierender Vermutungen scheinen sich Mischformen des Trainings, die aversive Einwirkungen und Belohnungen kombinieren, nicht negativer auszuwirken als ein Training, welches ausschließlich aus Korrekturen besteht. Die Verwendung von hochwertigen Belohnungen scheint also auch in Mischformen des Trainings sinnvoll zu sein. Eine erhöhte Stressbelastung durch die Erwartung auf Belohnungen war bei den Hunden der Belohnungsgruppe in dieser Studie nicht zu beobachten.

  1. Vieira de Castro AC, Fuchs D, Morello GM, Pastur S, de Sousa L, Olsson IAS (2020) Does training method matter? Evidence for the negative impact of aversive-based methods on companion dog welfare. PLoS ONE 15(12): e0225023. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0225023

  2. Lee JS, Mathews A, Shergill S, Yiend J. Magnitude of negative interpretation bias depends on severity of depression. Behav Res Ther. 2016;83: 26–34. pmid:27262590

  3. Hindash, A.H.C., Amir, N. Negative Interpretation Bias in Individuals with Depressive Symptoms. Cogn Ther Res 36, 502–511 (2012). https://doi.org/10.1007/s10608-011-9397-4

  4. Anderson MH, Hardcastle C, Munafò MR, Robinson ESJ. Evaluation of a novel translational task for assessing emotional biases in different species. Cogn Affect Behav Neurosci. 2012;12: 373–381. pmid:22183974

  5. Beerda B, Schilder MBH, van Hooff JARAM, de Vries HW, Mol JA. Behavioural, saliva cortisol and heart rate responses to different types of stimuli in dogs. Appl Anim Behav Sci. 1998; 58, 365–381.

  6. Schalke E, Stichnoth J, Ott S, Jones-Baade R. Clinical signs caused by the use of electric training collars on dogs in everyday life situations. Appl Anim Behav Sci. 2007; 105, 369–380.