Wenn der Hund im Familienalbum stöbert - Erstaunliches zur Gesichtserkennung
Anna Pietschmann
am Montag, 13 April 2020Wie sieht die Welt aus den Augen der Hunde aus? Was erkennen sie und wie nehmen sie ihre Umgebung wahr? Die wachsende Zahl an Forschungsergebnissen ermöglichen uns, den Hund und seine Fähigkeiten zunehmend besser zu verstehen. Inwiefern Hunde in der Lage sind, Menschen auf Fotos zu identifizieren, wurde nun in einer interessanten Studie untersucht.
Gesichtserkennung beim Menschen
Ein Großteil der Menschen ist sehr gut und zügig darin, Gesichter zu erkennen. Schnell zu ermitteln, wen man da in welcher Stimmung vor sich hat, ist ein absolute Notwendigkeit für das soziale Miteinander. Bereits frisch geborene Säuglinge zeigen die Tendenz, Gesichtern mehr Aufmerksamkeit als anderen Reizen der Umwelt zu widmen. Im Verlauf unseres Lebens werden wir mit so vielen verschiedenen Gesichtern in unterschiedlichen emotionalen Zuständen konfrontiert, dass das Gehirn sogar einen speziellen Bereich für die Verarbeitung von Gesichtern reserviert.
Wir erkennen auch zuverlässig Gesichter auf Fotos. Wer keine Einschränkungen im Erkennen von Gesichtern besitzt, kann die Freunde auf den letzten Urlaubsfotos und ihre jeweilige Stimmung rasch identifizieren. Ob auch Hunde dazu in der Lage sind, ist eine spannende Frage. Schließlich hat das enge Zusammenleben mit dem Menschen zahlreiche spezielle Fähigkeiten der Vierbeiner hervorgebracht. So können sie beispielsweise negative und positive emotionale Gesichtsausdrücke des Menschen erfassen und unterscheiden.
Um der Frage nachzugehen, haben Forscher/innen untersucht, ob Hunde ihre Halter auf Fotos erkennen. Diesbezüglich haben einige Tiere ihre Schwierigkeiten. So können Tauben unterschiedliche ihnen vorgezeigte Objekte auf einem zweidimensionalen Foto wiedererkennen. Werden ihnen hingegen die Gesichter von Menschen gezeigt, sind sie nicht in der Lage, diese auf zweidimensionalen Fotos zu identifizieren1.
Tor eins oder zwei
Die Probanden für die Studie setzten sich aus 60 Hund-Halter Paaren zusammen. Um die Fähigkeiten der Hunde zu testen, entwickelten die Forscher/innen einen speziellen Testapparat. Auf dessen linker und rechter Seite befanden sich jeweils ein Foto, eines vom Halter und auf der anderen Seite eines von einer fremden Person.
Nachdem die Hunde den Testraum betreten hatten, wurden ihnen zeitgleich die Fotos auf der Wand präsentiert. Nach 10 Sekunden öffneten sich unterhalb der Fotos zwei kleine Vorhänge auf Beinhöhe. Dahinter stand passend zum Foto entweder der Besitzer oder die fremde Person. Die Vierbeiner konnten dann entscheiden, durch welchen der geöffneten Vorhänge sie gehen wollen. Ebenso ermittelten die Wissenschaftler/innen in weiteren Durchgängen, für welchen Zugang sich die Hunde ohne Bild entschieden. Letzteres ist notwendig, um herauszufinden, ob auch wirklich allein die präsentierten Fotos Einfluss darauf haben, welchen Zugang der Hund auswählt. 2
Ohne jegliche Fotos entschieden sich die Hunde ohne System zufällig mal für die linke oder auch die rechte Falltür. Es war also nicht so, dass sie beispielsweise über geruchliche Informationen bevorzugt den Zugang aufsuchten, der sie zum Besitzer führte. Auch wenn die Gesichter auf den Fotos nicht direkt dem Hund zugewandt waren, entschieden sie sich nicht besonders oft für den geöffneten Vorhang, hinter welchem ihr Besitzer stand. War das Gesicht jedoch geradeaus auf den Hund gerichtet und mit neutralem Ausdruck, schienen die Hunde ihre Halter zu identifizieren. Sie entschieden sich in diesem Fall bedeutsam oft für den Zugang zu ihrem Halter.
Interessanterweise schnitten unter den getesteten Hunden die Rüden bei dieser Aufgabe besser ab. Ein ähnlicher Effekt ist auch bei Kleinkindern zu beobachten. Männliche Kleinkinder zeigten in einer Studie bessere Fähigkeiten und zur Gesichtserkennung als weibliche Kleinkinder. Im Erwachsenenalter kehrte sich dieser Effekt dann um.3
Fazit
Den Ergebnissen zufolge scheinen Hunde erstaunlicherweise in der Lage zu sein, ihre Halter auf Fotos zu erkennen. Ob ihnen dabei jedoch bewusst ist, nur eine zweidimensionale Abbildung des Gesichts vor sich zu haben, ist unklar. Möglicherweise unterscheiden sie die Abbildung nicht von einem wirklichen dreidimensionalen Gesicht. Diese Fähigkeit scheinen bisherigen Erkenntnissen zufolge nicht viele Tiere zu besitzen. Möglicherweise spielen die langen Zeiträume der Domestikation und des Zusammenlebens mit dem Menschen dabei eine Rolle. Jetzt warten noch viele offene Fragen auf ihre Beantwortung, welche die Ergebnisse aufwerfen. So wäre interessant zu wissen, inwiefern Hunde auch Artgenossen oder Objekte der Umwelt auf Fotos erkennen.
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Dittrich L, Adam R, Ünver E, Güntürkün O (2010) Pigeons identify individual humans but show no sign of recognizing them in photographs. Behav Process 83:82–89 ↩
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Eatherington, C. J., Mongillo, P., Lõoke, M., & Marinelli, L. (2020). Dogs (Canis familiaris) recognise our faces in photographs: implications for existing and future research. Animal Cognition ↩
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Rennels JL, Cummings AJ (2013) Sex diferences in facial scanning: similarities and dissimilarities between infants and adults. Int J Behav Dev 37:111–117 ↩